Fahrverbote in Innenstädten und neue EU-Vorgaben für CO2-Grenzwerte haben die Diskussion um alternative Mobilitätskonzepte nach vorn gebracht. Zur Verkehrswende beitragen könnten auch Elektrokleinstfahrzeuge. Aber deren Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr bereitet nicht nur Juristen Kopfschmerzen.
„Wir können noch kein offizielles Statement abgeben, da die Verbandsanhörung noch nicht stattgefunden hat. Hausintern sind wir jedoch in der Analyse und Meinungsbildung“, sagt ADAC-Unternehmenssprecher Dr. Christian Buric und verweist darauf, dass die geplante „Verordnung zur Genehmigung von Elektrokleinstfahrzeugen“ auch seitens der Bundesregierung noch in der Ressortabstimmung ist. Und die ist nicht einfach. Denn die Scooter, Elektro-Rollbretter und selbstbalancierenden Ein- und Zweisitzer mit zum Teil kombiniertem Muskel- und Elektroantrieb können Höchstgeschwindigkeiten bis zu 60 km/h erreichen. Und für ihre Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gibt es insgesamt noch immer keinen verbindlichen rechtlichen Rahmen.
Noch keine praxistaugliche gesetzliche Regelung
Wie aus der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Bündnis90/Die Grünen hervorgeht, sei die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) bereits 2017 beauftragt worden, erst einmal eine Marktübersicht zu erstellen und zu prüfen, unter welchen straßenverkehrsrechtlichen Voraussetzungen diese Fahrzeuge überhaupt für den öffentlichen Straßenverkehr tauglich sind. Im nunmehr vorliegenden Verordnungsentwurf sollen u. a. erst einmal Elektrofahrzeuge mit einer Höchstgeschwindigkeit von mindestens 12 bis max. 20 km/h erfasst und – so wörtlich – „verkehrsrechtlich wie Fahrräder mit der Maßgabe besonderer Vorschriften behandelt werden“.
Elektrisch im rechtsfreien Raum unterwegs
Diese längst überfällige Verordnung soll endlich zulassungs-, fahrerlaubnis-, genehmigungs- und verhaltensrechtliche Aspekte klären. Und natürlich versicherungsrechtliche! Denn ob Hoverboard, Segway, Seniorenroller oder die fahrbare Liege mit Elektroantrieb – alle Vehikel, die mit Elektroantrieb mehr als 6 km/h schnell werden können, sind per definitionem und Gesetz Kraftfahrzeuge, für deren Betrieb neben einer Fahrerlaubnis auch eine Pflichtversicherung nötig ist.
Das Problem nur: Eine solche Versicherung wird nirgends angeboten, und die private Haftpflichtversicherung kommt für Schäden, die beim Betrieb dieser Fahrzeuge entstehen, nicht auf. So flitzen derzeit vor allem im städtischen Verkehr auf Straßen, Fußgängerzonen und öffentlichen Plätzen viele Gerätschaften umher, deren Nutzung allenfalls auf Privatgrundstücken erlaubt und im Schadensfall ungeregelt ist.
Sieht wie ein Auto aus, ist aber eigentlich ein Plastiksarg
Besonders gefragt bei Umwelt-Enthusiasten, Minimalisten oder Verkehrsteilnehmener, die keinen Pkw-Führerschein machen wollen oder können, sind derzeit die „schicken“ Mini-Autos des französischen Herstellers Aixam. In Ausstattung und Erscheinungsbild einem Auto nicht unähnlich, können diese Pkws schon ab 17 Jahren ohne Begleitperson und nur mit dem Mofa-Führerschein der Klasse M überall auch auf Schnell- und Bundesstraßen mit Ausnahme von Autobahnen gefahren werden! Voraussetzung man entscheidet sich für ein Modell mit einer Höchstgeschwindigkeit von maximal 45 km/h.
Elektro-Kleinstfahrzeuge bieten kaum Unfallschutz
Eine Geschwindigkeit, die auch E-Bikes durchaus erreichen und toppen können, für deren Nutzung allerdings nicht einmal ein Mofa-Fahrerlaubnis erforderlich ist. Dafür jedoch Helmpflicht, und die wäre auch für den 45 km/h-Bremsklotz-Aixam nicht unangebracht. Denn die 460 kg leichten Kleinwagen aus Alu und Kunststoff bieten bei einem Unfall kaum mehr Schutz als ein Fahrrad. Unfalltechnisch hoch riskant sind allerdings auch „größere“ Elektrokleinstfahrzeuge wie das dreirädrige CityEi oder der Twike – ein Zweisitzer, der ursprünglich als vollverkleidetes Fahrrad entwickelt wurde und Pedalen zum gelegentlichen Mittreten besitzt.
Riskante Lastenräder für Gewerbe/Familienausflüge
Neben diesen Miniautos, den einrädrigen Airwheels mit ihrer elektronischen Lenk- und Bremstechnik oder den Hoverboards zum Stehen und Sitzen machen der Polizei aber auch zunehmend umgebaute Fahrräder mit und ohne elektrifizierten Zugmaschinen zu schaffen. Bis zu zwei Meter lang sind diese bisweilen auch als Familienkutsche konzipierten zwei- und dreirädrigen Lastenräder, die – für den Radweg ungeeignet – immer häufiger auf innerstädtischen Straßen gefahren werden und dort eine massive Behinderung für den Pkw-Verkehr darstellen.
ADAC fordert transparentes Genehmigungsverfahren
In Zeiten einer solcherart zunehmend modifizierten und als umweltfreundlich geförderten Mobilitätsstruktur verlangen ADAC, die Gewerkschaft der Polizei sowie die Unfallforschung der Versicherer (UDV) und am Ende auch der Handel dringend rechtliche und praxistaugliche Vorgaben sowie ein transparentes Typengenehmigungserfahren. Vor allem die sogenannten Segways werden im innerstädtischen Verkehr zum Problem. Mit Geschwindigkeiten bis und über 25 km/h sind sie für Fußwege zu schnell und für den Straßenverkehr zu langsam, sind aber gerade innerorts in Ermangelung von geeigneten Radwegen vornehmlich auf der Fahrbahn und auch in sonst verkehrsberuhigten Zonen unterwegs.
Segway – die behördliche Ratlosigkeit
Für alle, die es nicht wissen (können): Als elektrisch angetriebenes und intuitiv zu bedienendes, selbstbalancierendes Einpersonen-Transportmittel besteht der Segway aus einer Plattform mit zwei nebeneinander angeordneten Rädern, auf welcher der Fahrer steht und sich an einer Lenkstange festhält. Ursprünglich als Mobilitätshilfe bzw. Elektrorollstuhl in den USA entwickelt, gibt es Segways mittlerweile sogar als Zweisitzer zum City-Scooten!
Und obwohl sie mit deutlich mehr als 0,25 kw als Kraftfahrzeug eigentlich dem EU-Typengenehmigungsverfahren unterliegen sollten, sind Segways von der EU bis heute nicht als Straßenfahrzeug eingestuft. Weil sie dadurch nicht zum Regelungsbereich der EU gehören, wird in Deutschland von Segway-Fahrern immerhin schon mal separat die Berechtigung zum Führen eines Mofas sowie ein Versicherungskennzeichen verlangt. Das gilt aber nicht für den kleinen Bruder des Segways, nämlich das als Elektrokleinstfahrzeug immer beliebtere Hoverboard (ohne Stange zum Festhalten und deshalb wohl kaum sicherer).
Der Gesetzgeber ist dringend gefordert
Höchste Zeit für klare und nachvollziehbare verkehrsrechtliche Richtlinien – auch für potentielle Käufer und Ordnungshüter. Als der Autor dieser Zeilen beim Bezirksdienst City-Wache der Polizeibehörde seiner Heimatstadt Gütersloh vorsprach und fragte, ob man für Segways, Airwheels oder Hoverboards eigentlich eine Fahrgenehmigung benötige, erhielt er zur Antwort: „Da war neulich schon mal jemand und hat gefragt. Ich werde mich da mal kundig machen. Aber ich glaube, diese Dinger mit der Stange müssen ein Nummernschild haben.“ Also alles noch irgendwie in der Schwebe bis zum Abschluss der Ressort der Ressortabstimmung der Bundesregierung.
3 Kommentare
Xiaomi M365 wird nicht zugelassen werden, so wie 95% der derzeit erhältlichen E-Scooter weiterhin ‚illegal‘ betrieben werden. E-Skateboards und kleine selbstbalancierende ‚Segway-ähnliche‘ Gefährte ohne Lenkstange bleiben weiterhin verboten.
Deutschland ist so weit zurück, dass wir, global betrachtet, fast schon wieder vorne sind…
elektro-skateboard.de/topic/6649-entwurf-einer-verordnung-%C3%BCber-die-teilnahme-von-elektrokleinstfahrzeugen/?tab=comments#comment-45427 (im ersten Post ist der Referentenentwurf verlinkt)
hier direk zum Referentenentwurf des Bundenministeriums (Stand 25.09.2018):
elektro-skateboard.de/applications/core/interface/file/attachment.php?id=3868
Statt dies, wie in anderen Ländern, einfach als Fahrrad mit Hilfsmotor bis max 25km/h zu deklarieren, werden wir in Deutschland das einzige Land sein, wo es ein Kennzeichen benötigt und wahrscheinlich auch noch eine TÜV Abnahme alle 2 Jahre (und Mofa Führerschein).
Wer dies entworfen hat, gehört entlassen *persönliche Meinung*.
Was für ein Bürokratiewahnsinn für nix! (Ein Rennrad, betrieben durch ein Kind, fährt weitaus schneller, ist versichert und es braucht keinen Führerschein oder Kennzeichen)
Hallo,
was in Ihrem Artikel leider etwas zu kurz kommt ist die Tatsache, dass Elektrokleinstfahrzeuge (Aixam und ähnliche sind dabei eher Exoten, und werden im normalen Sprachgebrauch eigentlich nicht dazu gezählt) einen nicht unerheblichen Beitrag zu zeitgemässen Mobilitätskonzepten für Städte darstellen können.
eKickscooter, Monowheels, eSkateboards (also die eigentliche Elektrokleinstfahrzeuge) können gut zur Überbrückung der „letzten Meile“ zwischen Wohnung / Arbeitsplatz und öffentlichen Verkehrsmitteln genutzt werden, da sie klein und/oder zusammenklappbar sind und so, im Gegensatz zum Fahrrad, praktische immer in Bus und Bahn mitgenommen werden können.
Während Monowheels und eSkateboards etwas Übung benötigen, können Sie eKickboards / Elektrotretroller sofort und leicht bedienen. In Städten wie Paris (wo Sie zwar nicht zugelassen aber offiziell „geduldet“ sind) gehören sie zum Stadtbild. Mittlerweile stehen Sie im Zentrum praktisch an jeder Strassenecke zum einfachen und sofortigen Ausleihen per Smartphone App.
Leider hatte ich beim Lesen Ihres Artikels den Eindruck, dass Sie selbst keines dieser Fahrzeuge selbst probiert haben. Sonst wäre Ihr Urteil, das zwischen den Zeilen mitschwingt, vielleicht etwas objektiver ausgefallen.
Bitte bedenken Sie auch, dass sie mit einem guten Fahrrad (ohne Elektrounterstützung) heute problemlos (ohne Führerschein) Geschwindigkeiten erreichen, die deutlich über denen der vermutlich bald erlaubten 20 oder 25 km/h für Elektrokleinstfahrzeuge liegen. (Ich habe untrainierte Teenager im Bekanntenkreis Geschwindigkeiten von über 50 km/h mit Ihren Sporträdern fahren sehen.) Die Idee Elektrokleinstfahrzeuge bis zum Beispiel 20 km/h versicherungstechnisch wie Fahrräder zu behandeln liegt da nahe.
Oder sollten wir Sporträder auch versicherungspflichtig machen? Und wenn nicht, warum dann Elektrokleinstfahrzeuge?
Guter Kommentar Mark. Xiaomi M365 regelt!
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