Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht (OLG) mußte jetzt klären, ob eine gesonderte Ausweisung von „Pfand“ bei den entsprechenden Produkten zulässig ist. Die strittige Preisauszeichnung entsprach zwar dem geltenden deutschen Recht, das aber ist europarechtswidrig.
Geklagt hatte ein Verein, der Wettbewerbsregeln überwacht. Der beklagte Lebensmittelhändler hatte 2018 in einer Werbung Getränke in Pfandflaschen und Joghurt in Pfandgläsern angeboten. Die fällige Pfandsumme war nicht in dem angegebenen Verkaufspreis enthalten sondern wurde in der Werbebroschüre mit dem Zusatz „zzgl. … € Pfand“ angegeben.
Das hielten die Wettbewerbshüter für unzulässig und klagten auf Unterlassung. Gemäß den Bestimmungen der Preisangabenverordnung (PAngV) müsse der Gesamtpreis angegeben werden, argumentierten sie. Das sah der Händler anders. Er berief sich auf eine Ausnahmevorschrift in der Verordnung, welche ihn zu dieser Verfahrensweise verpflichten würde.
Das Landgericht Kiel entschied zugunsten der Wettbewerbshüter. Doch der Händler legte Berufung beim Oberlandesgericht in Schleswig ein. Die OLG-Richter kamen bei Ihrer Urteils-Überprüfung zu einem anderen Ergebnis als die Vorinstanz in Kiel. Sie gaben dem Händler Recht.
Entspricht die Preisauszeichnung für Waren in Pfandbehältnissen einer gültigen nationalen Vorschrift, so kann die Werbung mit einer solchen Preisauszeichnung auch dann nicht verboten werden, wenn die nationale Vorschrift europarechtswidrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf.
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Aus der Entscheidung des Gerichts:
Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein wettbewerbsrechtlicher Unterlassungsanspruch nicht zu. Die Werbung mit der beanstandeten Preisauszeichnung ist nicht wettbewerbswidrig. Sie entspricht der Vorschrift des § 1 Abs. 4 PAngV. Hierauf kann sich die Beklagte auch berufen, obwohl § 1 Abs. 4 PAngV europarechtswidrig ist und deshalb nicht mehr angewendet werden darf.
Es kann offenbleiben, ob das Pfand überhaupt ein Bestandteil des nach § 1 Abs. 1 PAngV anzugebenden Gesamtpreises ist. Selbst wenn das so wäre, kann sich die Beklagte für ihre Preisauszeichnung auf § 1 Abs. 4 PAngV berufen. Die Vorschrift verstößt zwar gegen Europarecht, denn nationale Vorschriften zu Preisangaben müssen mit den Vorgaben aus EU-Richtlinien in Einklang stehen. § 1 Abs. 4 PAngV kann jedoch weder auf die europäische Richtlinie über unlautere Geschäftspraktiken noch auf die europäische Preisangaben-Richtlinie zurückgeführt werden. § 1 Abs. 4 PAngV ist deshalb richtlinienwidrig, was zur Folge hat, dass ein Gericht die Vorschrift nicht mehr anwenden darf. Gleichwohl ist sie geltendes Recht und deshalb für den Einzelnen bindend und von ihm zu beachten. Die Preisauszeichnung der Beklagten entspricht somit dem, was das Recht von ihr verlangt. Ein rechtlich gebotenes Verhalten kann aber niemals die Grundlage für eine Verurteilung sein, in der unter Androhung von Ordnungsmitteln aufgegeben wird, dieses Verhalten zu unterlassen. Eine solche Verurteilung wäre mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbaren, denn wer sich rechtstreu verhält, muss die Gewissheit haben, dafür nicht belangt zu werden. Die Folge des Widerspruchs zwischen der Nichtanwendbarkeit und der Gültigkeit des § 1 Abs. 4 PAngV kann deshalb nur die Abweisung der Unterlassungsklage sein.
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Urteil des 6. Zivilsenats vom 30. Juli 2020, Az. 6 U 49/19
Eine Revision wurde zugelassen.
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Quelle: PM SH OLG Schleswig vom 6.8.2020