„Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass einer meiner Nachfolger im Amt des Bundesinnenministers eines Tages auch nur erwägen würde, wegen einer Zeitungskolumne eine Strafanzeige zu stellen“, sagt der ehemalige Innenminister Gerhart Baum (FDP).
Seehofer habe „die Fassung verloren“, kritisiert Baum. Der Bundesinnenminister zeige beim Rückgriff auf das Strafrecht ein „impulsives Denken“. Problematisch sei dies nicht zuletzt angesichts einer zunehmenden Bedrohung der Pressefreiheit in Staaten wie Ungarn oder Polen. Der FDP-Politiker fordert von den Regierungen in Bund und Ländern mehr Respekt für die Pressefreiheit.
Wenig Sensibilität beim Grundgesetz
Gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte Baum: „Es ist bemerkenswert, dass der Verfassungsminister der Republik so wenig Sensibilität für die Verfassung hat.“ Der Ex-Innenminister warnte in dem Gespräch vor einer generellen Tendenz unter regierenden Politikern in Deutschland, den Medien Grenzen setzen zu wollen: „Schon die Intervention des nordrhein-westfälischen Ministerpräsidenten Armin Laschet gegen die Oma-Satire beim WDR war in dieser Hinsicht kein gutes Beispiel“, kritisierte Baum.
Anzeige
Der Buchtipp > Praxis des Presserechts — mit den verfassungsrechtlichen Grundlagen
299 Seiten, C.H.Beck — erfahren Sie mehr > juristische-fachbuchhandlung.de
Hintergrund
Seehofer hatte gedroht, gegen einen Text der „taz“-Kolumnistin Hengameh Yaghoobifarah strafrechtlich vorzugehen, aber wohl durch eine Intervention der Bundeskanzlerin darauf verzichtet.. Die Journalistin hatte unter dem Titel „All cops are berufsunfähig“ überlegt, wo Polizisten arbeiten könnten, wenn die Polizei abgeschafft würde. Die einzige „geeignete Option“ sei „die Mülldeponie“.
Die taz hatte in der Folge darauf hingewiesen, dass es sich bei dem Beitrag um Satire handeln würde. Auch unabhängige juristische Experten bestätigten, dass der umstrittene taz-Beitrag vom Presserecht und der Freiheit der Kunst gedeckt sei.
.
Quelle: rb, dts