Am letzten Freitag (8.10.) hat der Bundesrat einer Erhöhung des Hartz IV-Regelsatzes ab Januar 2022 um drei Euro zugestimmt. Diese geringe Erhöhung sei „angesichts der aktuellen Preissteigerungen eine Unverschämtheit“, sagt die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele.
Ab Januar 2022 erhalten alleinstehende Erwachsene 449 Euro im Monat – drei Euro mehr als bisher. Die Regelsätze für Kinder und Jugendliche erhöhen sich auf 311 bzw. 376 Euro. Für Kinder bis zu sechs Jahren steigt der Satz auf 285 Euro. Angesichts der hohen Inflationsrate fordert Bentele eine Neuberechnung des Regelsatzes, der sich an den tatsächlichen Kosten orientiert. „Und die jährliche Anpassung sollte mindestens die aktuellen Preissteigerungen abfedern“, so die VdK-Präsidentin.
Lückenhafter Mischindex
Dabei hat sich der Gesetzgeber genau an die rechtlichen Vorgaben gehalten. Dummerweise passen diese nicht zum Problem der stark gestiegenen Inflationsrate. Dafür gibt es in der Anpassungs-Routine für den Regelsatz des nächsten Jahres keinen Parameter. Grundlage für die Berechnung sind die Bedarfssätze des aktuellen Jahres. Diese werden vom Statistischen Bundesamt mittels eines „Mischindexes“ festgelegt. Der setzt sich zusammen aus der Preisentwicklung (70 %) und der durchschnittlichen Lohn- und Gehaltssteigerung (30 %). Die erwartete Inflationsrate findet keine Berücksichtigung.
Sozialverband fordert Anpassung
„Die jährliche Anpassung sollte mindestens die aktuellen Preissteigerungen abfedern“, sagt VdK-Präsidentin Bentele aud verweist auf die aktuelle Inflationsrate von 4,1 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat.
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Auch die Christlich-Demokratische Arbeitnehmerschaft (CDA), der Arbeitnehmerflügel der CDU, hält die Steigerung des Hartz-IV-Satzes für zu niedrig. Dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte CDA-Chef Karl-Josef Laumann: „Es ist ein Problem, wenn der Hartz-IV-Satz nur um drei Euro steigt. Die Leute haben eben heute die höheren Kosten und nicht erst nächstes Jahr. Die brauchen heute mehr Geld.“ Für Laumann sind Sprit, Lebensmittel und Heizkosten „keine Luxusartikel“, auf die man mal verzichten kann.
Unerwartete Preisentwicklung
Es sind genau die von Laumann angesprochenen Produkte, aus denen sich der Warenkorb für die Ermittlung des statistischen Mischindexes zusammensetzt. Die Preisentwicklung wird ausschließlich aus „regelbedarfsrelevanten Waren“ wie Nahrungsmitteln, Kleidung, Fahrrädern, Hygieneartikeln, Zeitungen und Dienstleistungen wie Friseurbesuchen errechnet und hier sind die Preise in den letzten Monaten stark angestiegen.
Problem: Die 5-Jahres-Regel
Grundsätzliche Basis für die Festlegung der Regelsätze ist eine Einkaufs- und Verbraucherstichprobe alle fünf Jahre. Zuletzt erfolgte diese im Jahr 2018. Die nächste wäre im Jahr 2023. In Jahren ohne amtliche Stichprobe kommt der Mischindex zum Einsatz. Ein Ausgleich für einen kurzfristigen, starken Anstieg der Inflationsrate ist nicht vorgesehen. Es gelten die Preise des Vorjahres und die waren noch erheblich niedriger.
Regelsatz verfassungswidrig ?
Ein Rechtsgutachten das der Paritätische Gesamtverband in Auftrag gegeben hat, kommt zu dem Schluß, das die zum Jahreswechsel geplante Erhöhung der Regelsätze verfassungswidrig ist. Angesichts der Entwicklung der Lebenshaltungskosten verpflichte das Grundgesetz den Gesetzgeber, die absehbare Kaufkraftminderung für Grundsicherungsbeziehende abzuwenden. Sollte er das nicht tun, verstoße er gegen die Verfassung, so das Gutachten.
Mahnung aus Karlsruhe
Das Rechtsgutachten bezieht sich auf Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts aus dem Jahr 2014. Das Gericht hatte damals feststellt, dass die Regelbedarfe bereits an der untersten Grenze dessen liegen, was verfassungsrechtlich gefordert sei. Die jetzige Anpassung der Regelbedarfe in Verbindung mit der anziehenden Inflation läute eine „neue Stufe der Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums“ ein, so das Ergebnis des Gutachtens.
Existenzminimum sicherstellen
Für Fachleute sei es seit Monaten absehbar gewesen, dass nach den geltenden Regeln 2022 eine Null-Runde drohe, während sich die Preise für die Lebenshaltung bereits aktuell spürbar verteuerten, kritisiert Ulrich Schneider vom Paritätischen Gesamtverband. Er sagt: „Der Vorgang ist nicht nur für die betroffenen Menschen hart und folgenschwer – er unterläuft darüber hinaus grundsätzlich den sozialstaatlichen Grundauftrag, das menschenwürdige Existenzminimum sicherzustellen“.
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Quelle: dts, br