Bei der Ausübung ihres Freizeitsports kommen sich Radfahrer und Reiter manchmal in die Quere. Mangelnde Rücksichtnahme und fehlerhaftes Verhalten bergen ein hohes Verletzungsrisiko für beide Seiten. Ein aktuelles Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) könnte zukünftig für mehr Sicherheit sorgen.
Pferde sind Fluchttiere. Wenn sie unerwartet von hinten von einem Radfahrer überholt werden, können sie scheuen und ihren Reiter abwerfen. Das Pferd kann vor Schreck aber auch zur Seite ausweichen und dabei seinen Reiter gegen ein Hindernis (Baum, Zaun usw.) drücken. Dem Reiter drohen in diesem Fall schwere Verletzungen.
Eine weitere Unfallmöglichkeit ist das „Ausschlagen“ des Pferdes. Dabei kann der Radfahrer von den Hufen des Tieres getroffen und verletzt werden.
Sturz durch Pferdetritt
Bei dem vom Landgericht (LG) in Frankenthal verhandelten Fall ging es um einen Radler, der mit seinem Liegefahrrad (auf einem Radweg fahrend) zwei Reiterinnen überholen wollte. Durch den für das Pferd unerwartet auftauchenden Radfahrer scheute das Tier und schlug aus. Durch den nur geringen Sicherheitsabstand beim Überholvorgang zwischen Pferd und Radfahrer (cirka 40 Zentimeter) wurde der Radfahrer von den Hufen des Pferdes getroffen und stürzte. Dabei erlitt er Prellungen, Schürfwunden und eine Verletzung an der Hand.
Reiter verbotswidrig unterwegs
Obwohl die beiden Reiterinnen den Radweg verbotswidrig benutzt hatten, trifft den Radfahrer nach Meinung der Richter eine Mitschuld von 50 Prozent an dem Unfall. Der Grund: Für Radfahrer gilt beim Überholen von Pferden eine besondere Sorgfaltspflicht!
Mindestens 1,5 Meter Abstand
Ein Radfahrer muß beim Überholen im Straßenverkehr einen Sicherheitsabstand einhalten, der sich an der „Gefährlichkeit im konkreten Fall“ orientiert. Das wären in diesem Fall 1,5 Meter bis 2 Meter gewesen. Unter Berücksichtigung dieser Tatsache wurde dem Liegeradfahrer vom Gericht ein Schmerzensgeld in Höhe von 3.000 Euro zugesprochen.
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Aus der Entscheidung des Gerichts:
Die Kammer stellte in der Entscheidung zunächst fest, dass für die Halterin eines Pferdes eine sogenannte Tierhalterhaftung besteht. Hiernach hat ein Tierhalter grundsätzlich für sämtliche Schäden einzustehen, die das Tier verursacht. Die Tierhalterin konnte sich im konkreten Fall von der Haftung auch nicht entlasten, da ihr bewusst gewesen sei, dass das Pferd auf dem nur für Radfahrer zugelassenen Radweg geritten wird.
Gleichzeitig habe sich aber auch der Radfahrer falsch verhalten: Für Radfahrer gelten die Vorschriften der Straßenverkehrsordnung zum Überholen auch dann, wenn sich – wie hier – verbotswidrig Pferde auf dem Radweg befinden. Da bei einem Pferd immer mit einer unvorhergesehenen Verhaltensweise gerechnet werden müsse, sei ein Sicherheitsabstand von einem Meter hier nicht ausreichend. Es hätte ein Abstand von wenigstens eineinhalb bis 2 Metern eingehalten werden müssen. Zudem habe sich der Radfahrer nicht mit den Reiterinnen über das Überholen verständigt, obwohl ihm dies unproblematisch möglich gewesen wäre.
LG Frankenthal, Urteil v. 5.6.2020, Az. 4 O 10/19
Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig.
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Quelle: PM LG Frankenthal vom 19.6.2020