Eigentlich sollte die digitale Patientenkarte für mehr Durchblick sorgen. Der aber ist bei einem 65-jährigen Münchener völlig verlorengegangen. Bei unterschiedlichen Ärzten erschlich sich der Mann durch sein „Ärztehopping“ 980 Fentanyl-Pflaster im Wert von fast 21.000 Euro.
Der Rentner war zwischen Februar 2016 und Dezember 2019 zu sieben verschiedenen Ärztinnen und Ärzten im Münchener Stadtgebiet gegangen und hatte sich von diesen jeweils Fentanyl-Pflaster verschreiben lassen. Diese werden gegen starke chronischer Schmerzen eingesetzt. Allerdings „vergaß“ der Mann bei der Verschreibung des Medikaments zu erwähnen, daß er bereits Rezepte für das Medikament von anderen Arztpraxen erhalten hatte. Einmal argumentierte er auch, er benötige einen Pflaster-Vorrat, da er auf einer Ölplattform arbeite und sich nur unregelmäßig in Deutschland aufhalte.
Die unrechtmäßig erlangten Rezepte löste der Rentner auf Krankenkassenkosten bei unterschiedlichen Apotheken ein, damit der Schwindel nicht auffiel. Insgesamt waren es Rezepte über 980 Pflaster mit einem Gesamtwert von 20.777,40 Euro. Bei der Polizei gab der Rentner die Taten zu und begründete sie mit einer Schmerzproblematik, die sich nach einem Eingriff vor sieben Jahren ergeben hätte.
Das Schöffengericht des Amtsgerichts München verurteilte den Rentner wegen der Erschleichung von Betäubungsmittel-Verschreibungen in 21 Fällen, Betrug und dem unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln „in nicht geringer Menge“ zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sieben Monaten. Die Vollstreckung wurde aufgrund der Tatsache, dass der Mann geständig war und angesichts seines Alters vom Gericht zur Bewährung ausgesetzt.
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Aus der Begründung des Gerichts
„Im Rahmen der Strafzumessung im engeren Sinne spricht für den Angeklagten, dass er sich bereits bei der Polizei (sowie auch später im Rahmen der Hauptverhandlung) vollumfassend geständig eingelassen hat. Weiterhin spricht für den Angeklagten, dass die vorliegenden Erschleichungen von Betäubungsmitteln (zumindest zu Beginn) dazu dienten eine Schmerzbehandlung durchzuführen.
Zu Lasten des Angeklagten war weiterhin einzubeziehen, dass er durch die Taten erhebliche Mengen von Betäubungsmitteln erlangt hat. Die sachkundige Zeugin (…) hat dargelegt, dass die Gesamtmenge von 980 Pflastern ausgereicht hätte, um den Angeklagten für einen Zeitraum von über acht Jahren zu berauschen.
(…)
In der Gesamtwürdigung und unter besonderer Berücksichtigung des Umstandes, dass die Taten bereits erhebliche Zeit zurückgelegen haben war die Verhängung einer Gesamtfreiheitsstrafe von 1 Jahr und 7 Monaten schuld- und tatangemessen. Die Freiheitsstrafe konnte auch zur Bewährung ausgesetzt werden, da aufgrund des hohen Lebensalters des Angeklagten und der zwischenzeitlichen eingetretenen Betäubungsmittelabstinenz die Einwirkung des Strafvollzuges nicht erforderlich ist, um den Täter von der Begehung weiterer Straftaten abzuhalten.“
Urteil AG München v. 26.07.2022, Az., 1125 Ls 362 Js 107777/21
Das Urteil ist rechtskräftig.
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Quelle: AG München v. 12.08.2022