Das Landessozialgericht in Essen mußte die Frage klären, ob ein Rentner, der aufstockende Leistungen der Grundsicherung nach dem SGB XII erhält, für den Toiletten-Obolus unterwegs selbst aufkommen muß, oder ob dieser erstattet werden muß.
Er machte gegenüber der betroffenen Stadt Essen geltend, er müsse dreimal täglich außer Haus eine Toilette aufsuchen. Kostenlose öffentliche Toiletten hätte die Stadt Essen aber schon vor längerer Zeit abgeschafft. Im Durchschnitt koste ihn jeder Toilettenbesuch zwei Euro. Auf 30 Tage gerechnet ergäbe das einen zusätzlicher Bedarf von 180 Euro pro Monat. Das solle die Stadt ihm erstatten.
Als die Stadt sich weigerte, zog der Rentner vor Gericht. Aber das Sozialgericht Duisburg verwehrte ihm die Erstattung der angefallenen WC-Kosten und wies die Klage ab. Doch der Rentner gab nicht auf und legte Berufung beim Landessozialgericht in Essen ein. Vergeblich! Auch die Richter des Landessozialgerichts konnten keine Rechtsgrundlage für einen derartigen Anspruch erkennen. Weder der Mangel an öffentlichen Toiletten in Essen noch ein selbstbestimmter, täglich längerer Aufenthalt außerhalb der eigenen Wohnung begründen einen zusätzlichen Grundsicherungsanspruch, so die Essener Richter.
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Aus der Entscheidung des Gerichts
Die Voraussetzungen für die Annahme eines ernährungsbedingten Mehrbedarfs aus medizinischen Gründen nach § 30 Abs. 5 SGB XII lägen nicht vor. Die Regelung sei nach dem gesetzgeberischen Willen abschließend. Mangels Regelungslücke scheide eine analoge Anwendung aus.
Der Fall des Klägers biete auch keinen Raum für eine abweichende Regelsatzfestsetzung nach § 27b Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 SGB XII. Denn der durch die Regelbedarfe abgedeckte Bedarf liege nicht auf Dauer unausweichlich in mehr als geringem Umfang oberhalb durchschnittlicher Bedarfe. Der Kläger sei nach seiner eigenen Schilderung altersentsprechend gesund und weise daher keine überdurchschnittliche Notwendigkeit von Toilettengängen auf. Der geltend gemachte Aufwand liege jenseits des üblichen Verhaltens der Durchschnittsbevölkerung und sei daher eine Frage der Freizeitgestaltung. Im Regelsatz seien für die Bereiche Freizeit/Kultur, Gastronomie/Beherbergung sowie andere Waren/Dienstleistungen Anteile enthalten. Wie der Kläger das Geld einsetze, liege in seiner Eigenverantwortung. Bei Personen, die zum Lebensunterhalt im Alter Grundsicherungsleistungen benötigten, müsse nicht jeder Freizeitgestaltungswunsch bezahlt werden. Es spiele für die Entscheidung schließlich keine Rolle wie die Situation vor Ort sei. Das sozialgerichtliche Verfahren sei insbesondere kein Vehikel zur Durchsetzung lokalpolitischer Forderungen.
Entscheidung vom 31.01.2022
Az. L 20 SO 174/21
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Quelle: LSG Essen v. 01.02.2022