„Es besteht die Gefahr einer sozialen Schieflage“, warnt EU-Sozialkommissar Nicolas Schmit. Er fordert eine finanzielle Entlastung der Bürger. Dafür könnten „besondere Möglichkeiten der Unternehmensbesteuerung“ sinnvoll sein.
Steigende Energie- und Lebenshaltungskosten seien Ursache des Problems, so der EU-Kommissar. Die Löhne würden der Preisentwicklung hinterherhinken und immer mehr Menschen hätten Schwierigkeiten, über die Runden zu kommen. „Inzwischen spüren das sogar Familien mit mittleren Einkommen“, so Smid in der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ). Jetzt seien die nationalen Regierungen gefordert, „eine solche Schieflage über eine entsprechende Entlastung der Bürger zu verhindern“. Die Kosten des Krieges müssten sozialverträglich verteilt werden.
De facto Kriegswirtschaft
„De facto befinden wir uns inzwischen in einer Kriegswirtschaft“, meint Schmit und ergänzt: „Darunter leiden viele Bürger, manche Branchen profitieren aber auch davon. Vor diesem Hintergrund kann es sinnvoll sein, besondere Möglichkeiten der Unternehmensbesteuerung ins Auge zu fassen. Das hat auch die EU-Kommission bereits signalisiert.“ Die Einnahmen sollten „zur sozialen Abfederung der Kriegsfolgen oder für Investitionen genutzt werden, um von russischem Gas und Öl schnell unabhängig zu werden“, meint der EU-Sozialkommissar.
Esken sieht Ungerechtigkeit
„Die SPD wird einen neuen Anlauf nehmen, eine Übergewinnsteuer für Konzerne einzuführen, die sich an der Krise bereichern“, bestätigte SPD-Parteichefin Saskia Esken gegenüber der NOZ. Es sei nicht hinzunehmen, dass Energiekonzerne Krisengewinne machten, während der Staat Gasversorger mit einer Preisumlage und Steuergeldern stützt. „Das wird zu Recht als große Ungerechtigkeit empfunden“, meint Eskens. Die SPD-Chefin verweist darauf, dass andere EU-Länder längst eine Übergewinnsteuer eingeführt hätten.
Bundestags-Gutachten
Neben dem „grünen Licht“ aus Brüssel kann sich die SPD-Spitze bei ihrer Forderung auch auf ein neues Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages stützen. Danach ist eine Übergewinnsteuer für Energieunternehmen grundsätzlich auch in Deutschland möglich. Laut Spiegel heißt es in dem Gutachten, der Staat müsse darlegen, dass betroffene Unternehmen „unverdiente Gewinne“ erzielt hätten und wie sich diese Gewinne bestimmen lassen.
Anzeige
NEU !! Geldwäsche-Compliance für Industrie und Handel
mehr erfahren >> juristische-fachbuchhandlung.de
„Angesichts der offenkundigen aktuellen Entwicklungen auf den Energiemärkten scheint dies nicht ausgeschlossen“, heißt es in dem Papier. Eine Beschränkung auf Händler von Strom, Gas und Öl wie in Italien erscheine „vor dem Hintergrund der gegenwärtigen besonderen Knappheits- und Preisbedingungen auf den Energiemärkten jedenfalls nicht willkürlich“. Neben Italien haben auch Großbritannien, Griechenland, Rumänien und Ungarn besondere Abgaben auf Krisengewinne eingeführt, in Belgien und Spanien wurden sie angekündigt.
Steuer mit Schwachstelle
Doch die wissenschaftliche Analyse offenbart auch den Schwachpunkt einer derartigen Steuer. In der Berechnung des Übergewinns liege „die Achillesferse“ des Konzepts, schreiben die Experten des wissenschaftlichen Dienstes (WD). Nach ihrer Meinung dürfte eine exakte Bestimmung „nahezu unmöglich sein“.
Das Besteuerungs-Schlupfloch
Aber die Autoren des Gutachtens sehen einen Ausweg für den Fiskus. Dieser arbeite ja schon bei anderen Steuerarten mit vereinfachenden Typisierungen und Pauschalierungen. So treffe die Gewerbesteuer schon heute nur einen Teil der Unternehmer. Die Übergewinnsteuer könnte, so das Gutachten, wie der Solidaritätszuschlag als Ergänzungsabgabe erhoben werden. Der Finanzbedarf lasse sich dann mit der Coronapandemie und „wohl auch mit den durch den Ukrainekrieg und dessen Folgen verbundenen Belastungen“ begründen.
.
Quelle: dts-Material