Die Lobbyisten blasen zur Attacke. So langsam begreift man in den Chefetagen der deutschen Industrie, inbesondere bei den Autobauern, was da mit der Sammelklage-Option für geschädigte Kunden an Kosten auf sie zukommen kann.
Ein rauher Wind bläst der deutschen Industrie aus Brüssel in die Erfolgsbilanzen. Die EU-Behörde will Verbraucherschutzorganisationen und Wirtschaftsverbänden das Recht einräumen, im Namen Geschädigter vor Gericht zu ziehen und dabei in bestimmten Fällen gleichzeitig auch Schadenersatz zu fordern. Das geht aus einem EU-Richtlinienentwurf hervor, den Justizkommissarin Vera Jourova am 11. April vorstellen will.
EU-Richtlinie stärkt Verbraucherrechte
Anders als bei der von der Bundesregierung geplanten Musterfeststellungsklage will Brüssel die klagende Organisation nicht immer dazu verpflichten, vorab eine Zustimmung der Geschädigten einzuholen. In bestimmten Fällen soll es genügen, wenn diese erst nach dem Urteil einwilligen. Sollten die Brüsseler Vorstellungen Realität werden, kann es für die deutschen Autobauer teuer werden. Viele Autokäufer scheuen bisher den Gang zum Gericht. Sie verzichten wegen des hohen Prozesskostenrisikos darauf, ihre berechtigten Ansprüche vor Gericht durchzusetzen. Das soll sich ändern.
BDI-Chef warnt vor Mißbrauchsrisiken
In einem Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker zeigt sich BDI-Chef Dieter Kempf „sehr besorgt“, dass der Vorschlag der Behörde für Sammelklagen die geltenden Regeln „zu Lasten der Unternehmen unangemessen verschärft und erhebliche Missbrauchsrisiken schafft“. Die deutsche Industrie lehne die Einführung EU-weiter Kollektivklagen daher „ausdrücklich ab“, heißt es in dem Schreiben, über das das „Handelsblatt“ berichtete. BDI-Chef Kempf fordert außerdem eine „ausdrückliche Identifikation des Klägerkreises“.
Bundesregierung ist schon auf der Zielgraden
Auch die Bundesregierung macht mit ihrer Version einer Sammelklage, hier heißt die neue Klagemöglichkeit „Musterfeststellungsklage“, richtig Tempo. In einem Tweed bei Twitter sagt die neue Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD): „Kein neues Thema, umso wichtiger, dass die Musterfeststellugsklage jetzt zügig Gesetz wird – so wie im Koalitionsvertrag vereinbart.“
Das sieht Klaus Müller, Vorstand der Verbraucherzentrale Bundeszentrale gerne und lobt die Ministerin auf Twitter: „Kaum eine Woche im Amt und schon legt Katarina Barley einen Gesetzentwurf für die Musterfeststellungsklage vor. Gut, dass es schon viele Beratungen und Diskussionen darüber gab, so dass jetzt eine zügige Verabschiedung möglich ist.“
DIHK-Justitiar zweifelt und spielt auf Zeit
Der Chefjustitiar des Deutschen Industrie- und Handelstages Stephan Wernicke sieht die geplante Musterfeststellungsklage kritischer. Er sagt dazu im Handelsblatt: „Die Koalition muss sich fragen, ob sie Verbrauchern helfen oder die Geschäftsmodelle von Anwälten unterstützen will“. Auch er warnt vor Mißbrauchsrisiken bei einer „Öffnung der Klageberechtigung für Private“. Problematisch findet er die Absicht, nur anerkannten Verbraucherschutzorganisationen zu erlauben, eine Musterklage einzureichen. Sein Gegenvorschlag ist eine öffentlich-rechtliche Ombudsstelle. Der DIHK-Justitiar versucht offensichtlich Zeit zu gewinnen, wenn er empfiehlt: „Die Koalition wäre gut beraten, zur Ausgestaltung der Musterfeststellungsklage die Ergebnisse des Deutschen Juristentages im September abzuwarten.“
R.B. mit Material der dts-Nachrichtenagentur