Nach Ansicht von Seerechtsexperten ist die russische Blockade der Meerenge von Kertsch im Konflikt mit der Ukraine rechtswidrig. Außer, wenn die ukrainischen Schiffe den Gebrauch von Waffen angedroht oder vollzogen hätten.
„Vorausgesetzt, es ist durch die ukrainischen Schiffe nicht zur Androhung oder Anwendung von Gewalt gekommen, sprechen die besseren Rechtsgründe für das Bestehen eines Durchfahrtrechts ukrainischer Schiffe durch die Straße von Kertsch“, sagte Alexander Proelß, Professor für Internationales Seerecht an der Universität Hamburg, der Neuen Osnabrücker Zeitung.
„Sowohl Russland als auch die Ukraine dürfen im Asowschen Meer und über die Straße von Kertsch Hoheitsrechte ausüben, weshalb eine Sperrung der Durchfahrt zwangsläufig ukrainische Hoheitsrechte verletzt. Dies hängt damit zusammen, dass die Annexion der Krim völkerrechtswidrig war und international nicht anerkannt ist.
In einem Kooperationsabkommen aus dem Jahr 2003 ist explizit auch die wechselseitige Durchfahrtsfreiheit durch die Meerenge von Kertsch garantiert, weil beide Staaten den Zugang zu ihren Küstenstädten brauchen“, sagte Proelß weiter. Einzig, „wenn die ukrainischen Schiffe den Gebrauch von Waffen angedroht oder vollzogen hätten“, sagte der Experte, „hätte die russische Seite einen potentiellen Grund für die Sperrung der Meerenge. In diesem Fall könnte sich Russland auf den Schutz seiner Souveränität berufen.“
Deutsche Wirtschaft besorgt wegen Seeblockade
Die deutsche Wirtschaft fürchtet, dass die Eskalation zwischen Russland und der Ukraine negative Folgen für den deutschen Außenhandel in der Region haben könnten. „Die Entwicklung im Asowschen Meer ist äußerst besorgniserregend“, sagte die Geschäftsführerin von Ost-Ausschuss und Osteuropaverein der Deutschen Wirtschaft (OAOEV), Ute Kochlowski-Kadjaia, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Die beiden Häfen Berdjansk und Mariupol am Asowschen Meer sind für den ukrainischen Handel lebenswichtig“, so die Expertin.
In der Mittel-Ostukraine befinden sich die weltweit fruchtbarsten Ackerböden und wichtige Industriezentren des Landes. „Getreide, Stahl, Kohle, Autos und Maschinen – all dies wird über das Asowsche und Schwarze Meer verschifft, von Ost nach West und umgekehrt“, sagte Kochlowski-Kadjaia.
Bilaterales Handelsvolumen: 6,6 Milliarden Euro
„Für die weitere Erholung der Ukraine ist die Lösung dieses Problems ganz wesentlich und daher auch im Interesse aller ukrainischen und ausländischen Unternehmen.“ Derzeit sind 2.000 Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung in der Ukraine aktiv. Das bilaterale Handelsvolumen betrug 2017 rund 6,6 Milliarden Euro.
Am Donnerstag findet in Berlin eine hochkarätig besetzte Investorenkonferenz statt, das deutsch-ukrainische Wirtschaftsforum. Dazu wird der ukrainische Premierminister Wladimir Groisman im Haus der deutschen Wirtschaft erwartet, ebenso Bundeskanzlerin Angela Merkel und DIHK-Präsident Eric Schweitzer.