Nur das Grundgesetz und die Verwaltungsgerichte stoppen den Aktionismus der Politik. Nach den innerdeutschen Reisebeschränkungen müssen sich die Gerichte nun mit der Sperrstunde für die Gastronomie beschäftigen. Dazu steht in Kürze eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts in Düsseldorf an.
Getrieben von rapide steigenden Infektionszahlen geraten nüchterne Analyse, wissenschaftlicher Sachverstand und kommunikativer Umgang mit dem betroffenen Bürger immer mehr in den Hintergrund.
Virologe: Sperrstunde nicht sinnvoll
In der ARD-Sendung „Maischberger“ vom 14.10. bezweifelte der renommierte Virologe Hendrik Streeck die Wirksamkeit einer Sperrstunde. Die meisten Infektionen passierten zuhause, in Innenräumen und auf privaten Feiern, sagte Streeck und forderte: „Da müsste man die Stellschrauben anziehen.“ Bei Veranstaltungen gebe es doch ein „Setting an Vorsichtsmaßnahmen“.
Verstoß gegen Verhältnismäßigkeit
Das Verwaltungsgericht Berlin kippte die Sperrstunde der Hauptstadt am Freitag (16.10.) mit der Begründung, sie verstoße gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot des Grundgesetzes. Am gleichen Tag verkündet die Landesregierung in Nordrhein-Westfalen (NRW) eine Sperrstunde für die Gastronomie. In einer Presseerklärung heißt es dazu: „Mit Überschreiten der 7-Tages-Inzidenz von 50 in einem Kreis oder einer kreisfreien Stadt gilt vor Ort die „Gefährdungsstufe 2“. Der für Gastronomen wichtige Teil folgt etwas später: „Der Betrieb gastronomischer Einrichtungen und der Verkauf alkoholischer Getränke ist von 23 Uhr bis 6 Uhr unzulässig.“
Eilantrag gegen Sperrstunde
Beim Verwaltungsgericht Düsseldorf ist, nach Angaben des Hotel und Gaststättenverbands (Dehoga), ein Eilantrag gegen die Sperrstunde in Düsseldorf anhängig. Die Stadt hatte, als ausgewiesenes Risikogebiet, schon vorher eine Sperrstunde zwischen 1 und 6 Uhr angeordnet. Der Branchenverband Dehoga hält diese Regelung für unverhältnismäßig. Das sei „kein geeignetes Mittel“ gegen die Pandemie, sagte NRW-Geschäftsführer Thomas Kolaric dazu der Deutschen Presse-Agentur.
Nachsichtige Richter in NRW ?
Gilt in Nordrhein-Westfalen eine andere Grundgesetzversion, oder hofft die Regierung auf nachsichtigere Richter? Wurde in NRW eine rechtliche Regelung wider besseres Wissen einführt? Die Entscheidung des Berliner Verwaltungsgerichts müßte zum Zeitpunkt des Pressebriefings eigentlich bekannt gewesen sein und eine rechtliche Prüfung dieser, die Gastronomie stark einschränkenden Maßnahme, nahegelegt haben.
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Sicher würde die NRW-Landesregierung auch gerne dem Wunsch des Virologen Hendrik Streeck entsprechen und bei privaten Feiern die „Stellschrauben anziehen“, um Corona wirkungsvoller zu bekämpfen. Doch das Grundgesetz schützt die Privatsphäre der Bürger*innen. So bleibt es an dieser Stelle bei einem Appell der Landesregierung an die Vernunft der Bevölkerung.
In der Presse-Briefing heißt es dazu: „Bei allen Regelungen der Coronaschutzverordnung gilt für den privaten Raum – also das eigene Haus samt Garten oder die eigene Wohnung – in Nordrhein-Westfalen weiterhin der hohe Grundrechtsschutz der Privatsphäre. Die Landesregierung empfiehlt aber dringend die Beachtung der Regelungen auch im privaten Raum – dies schließt ausdrücklich die Empfehlung ein, Kontakte und private Feiern zu reduzieren und möglichst infektionssicher zu gestalten.“
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Quelle: dts, PM Landesregierung NRW vom 16.10.