„Ich gehe fest davon aus, dass es eine hohe Anzahl an Klagen geben wird und dass auch viele wie bisher in einstweiligen Rechtsschutzverfahren damit durchkommen werden, siehe die gekippten Beherbergungsverbote und Sperrstunden“, sagt der bekannte Staatsrechtler Ulrich Battis.
Der erfahrene Jurist vermutet, dass es schon in der nächsten Woche erste Gerichtsentscheidungen geben wird. „Dass der gesamte Lockdown von den Gerichten gekippt wird, erwarte ich aber nicht“, so Battis gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung.
Einwände der Gastrobranche, Gaststätten seien keine Pandemietreiber, hält Battis nicht für überzeugende Klagegründe: „Jeder weiß, dass es in Restaurants häufig zu engen Kontakten kommt.“ Jedoch seien Ausbrüche dort nicht bestätigt.
Viel Interpretationsspielraum für Richter
„Aber die Nachverfolgung der Infektionsketten ist weitgehend zusammengebrochen, sodass unbekannt ist, ob es in Gaststätten nicht doch zu vielen Ansteckungen kommt. Die wissenschaftliche Grundlage lässt Interpretationsspielraum für die Richter.“ Der Rechtswissenschaftler lobte die Bund-Länder-Beschlüsse vom Mittwoch als „sorgfältig begründetes und abgewogeneres Gesamtkonzept“.
Gerichte berücksichtigen Entschädigung
Kitas und Schulen blieben offen, insgesamt werde aber die Mobilität zurückgefahren. „Freizeiteinrichtungen und Gastronomie werden nur befristet geschlossen, und es gibt substanzielle Entschädigungen vom Staat. Das werden die Gerichte berücksichtigen“, so die Prognose des Experten, der unter anderem an der Berliner Humboldt-Universität lehrte.
Zweifelhafte „Ermächtigungsgrundlage“
Harsche Kritik übte Battis aber am Zustandekommen der Beschlüsse. „Die Rechtslage ist prekär: Das Infektionsschutzgesetz ist für „normale“ Fälle gemacht worden, nicht aber zur Bekämpfung einer landesweiten Pandemie mit diesen wirtschaftlich und sozial verheerenden Auswirkungen“, sagte er bei dem Pressegespräch. „Diese prekäre Ermächtigungsgrundlage muss der Bundestag dringend nachbessern.“
Schäuble-Kritik völlig berechtigt
Das gelte auch mit Blick auf die Übertragung der Rechte auf die Länder. „Das geht zu weit, da hat Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble völlig recht“, sagte Battis. „Eine Rechtsverordnung darf nicht mehr regeln als vom gesetzlichen Rahmen vorgesehen. Bei den Lockdown-Maßnahmen ist das aber eindeutig der Fall. Es ist gut, dass es dafür jetzt Initiativen gibt, etwa in NRW und in Thüringen. Da muss sich schnell etwas ändern.“
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Quelle: dts-Nachrichtenagentur