Das OLG Hamm mußte jetzt eine Haftungsfrage zu einer Kollision zwischen einem PKW und einer Straßenbahn entscheiden. Das Ergebnis: Straßenbahnen haben auch dann Vorrang, wenn die Ampel einer über die Schienen führenden Fahrspur für Kraftfahrzeuge grün ist.
Ein 79-jährige PKW-Fahrer fuhr in Bielefeld Richtung Innenstadt. Als er mit einem sogenannten „U-Turn“ von der Linksabbiegerspur über die in der Straßenmitte liegenden Straßenbahngleise fuhr (bei grüner Ampel), kollidierte er mit einer Straßenbahn. Durch den Unfall wurde sein Fahrzeug beschädigt und er erlitt erhebliche Verletzungen.
Der PKW-Fahrer, der sich keiner Schuld bewußt war, verklagte die Verkehrsbetriebe und den Straßenbahnfahrer auf Schadenersatz und 18.000 Euro Schmerzensgeld. Er behauptete, vor der Kollision mehrere Sekunden auf den Gleisen gestanden zu haben. Wenn der Fahrer der Straßenbahn rechtzeitig gebremst hätte, wäre der Unfall nicht passiert.
Das sahen die Beklagten anders. In ihren Augen sei alleine der PKW-Fahrer für den Unfall verantwortlich gewesen, weil er ohne die Vorfahrt der Straßenbahn zu beachten, auf die Schienen gefahren sei und vor dem Zusammenstoß dort keineswegs einige Zeit gestanden habe. Das Landgericht Bielefeld sah das auch so und wies die Klage ab.
Der Kläger war mit dieser Entscheidung nicht einverstanden und so mußte das Oberlandesgericht in Hamm entscheiden. Der zuständige 7. Zivilsenat holte, ergänzend zu der bestehenden Beweisaufnahme, noch ein Sachverständigengutachten zum Unfallhergang ein. Letztendlich war für den PKW-Fahrer alle Mühe umsonst. Die OLG-Richter bestätigten das Urteil des Bielefelder Landgerichts.
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Aus der Entscheidung des Gerichts:
Für die Unfallfolgen sei der Kläger zu 100 % selbst verantwortlich, so der Senat. Ein Verschulden der Verkehrsbetriebe oder des Straßenbahnfahrers liege nicht vor.
Auf eine Änderung der Ampelphasenschaltung hätten die Verkehrsbetriebe nicht hinwirken müssen. Die zum Zeitpunkt des Unfalls vorhandene Ampelphasenschaltung – mit Grünlicht für linksabbiegende Kraftfahrzeuge, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn sei rechtlich zulässig. Bei einer derartigen Ampelphasenschaltung greife die in der Straßenverkehrsordnung gesetzlich geregelte Vorrangregelung zu Gunsten der Schienenbahn, die auch gegenüber einem bei Grünlicht abbiegenden Linksabbieger gelte. Zwar sei es zwecks Vermeidung von Unfällen sicherer, wenn – wie nach der Änderung der Schaltung an der Unfallstelle im Sommer 2016 – durch eine Ampelschaltung ein gleichzeitiges Befahren des Bahnübergangs durch Individualverkehr und durch eine Straßenbahn ausgeschlossen sei. Auf eine solche Lösung habe aber kein Verkehrsteilnehmer Anspruch.
Verkehrsverstöße des beklagten Straßenbahnfahrers seien ebenfalls nicht feststellbar. Die durchgeführte Beweisaufnahme habe ergeben, dass der Kläger sein Fahrzeug aus einer Warteposition neben den Gleisen erst zu einem Zeitpunkt auf das Gleisbett gelenkt habe, zu dem sich die von dem Straßenbahnfahrer geführte Straßenbahn schon so weit angenähert hatte, dass ein Anhalten der Bahn nicht mehr möglich gewesen sei. Der Vortrag des Klägers, sein Pkw habe zum Zeitpunkt der Kollision bereits auf den Schienen gestanden und sei nicht mehr in Bewegung gewesen, sei durch die Beweisaufnahme widerlegt. Nach dieser sei weder eine Geschwindigkeitsüberschreitung des Straßenbahnfahrers noch eine verspätete Reaktion des Fahrers auf die Fahrweise des Klägers bewiesen.
Vielmehr sei der Kläger für den Unfall allein verantwortlich. Er habe seinen PKW wenden wollen. Dabei habe er sich so verhalten müssen, dass eine Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer ausgeschlossen gewesen wäre. Um diesen Sorgfaltsanforderungen zu genügen, hätte er – ungeachtet des Grünlichts der für ihn geltenden Lichtzeichenanlage – die in seine Fahrtrichtung fahrende Stadtbahn passieren lassen müssen und erst dann auf die Schienen fahren dürfen.
Quelle: PM OLG Hamm vom 13.06.2018
Urteil vom 13.04.2018 (Az. 7 U 36/17)