Der Autobahnstau bringt die merkwürdigsten Verhaltensformen bei Autofahrern an den Tag. Die einen fahren über den Standstreifen weiter, andere reinigen ihre Felgen und die ganz Eiligen wenden einfach und fahren in die Gegenrichtung davon.
Die ADAC-Staubilanz verzeichnete im letzten Jahr pro Tag über 1900 Staus. Das ergibt die beeindruckende Zahl von 694.000 Staus mit über 1,3 Millionen Kilometern Staulänge. Die zahlreichen Baustellen und Unfälle sind in der Regel die Ursache.
Unfälle steigen stetig an
Die Zahl der Unfälle steigt unaufhörlich. Wie das Statistische Bundesamt nach den endgültigen Ergebnissen der Verkehrsunfallstatistik 2016 mitteilt, erfasste die Polizei im letzten Jahr rund 2,6 Millionen Unfälle im Straßenverkehr. Das sind 2,7 % mehr als noch 2015. Erfreulicherweise starben bei diesen Unfällen weniger Menschen. Am gefährlichsten sind nach dieser Statistik die Landstraßen. Dort starben 1853 Menschen, auf der Autobahn waren es „nur“ 393 Verkehrsteilnehmer. Es könnten dort noch weniger sein, würde immer vorschriftsmäßig eine Rettungsgasse gebildet.
Behinderung der Rettungseinsätze
Einige Autofahrer bleiben einfach stehen, wenn das große rote Auto mit dem blauen Licht auf dem Dach hinter ihnen auftaucht. Wieso will der denn durch? Ich muss ja auch warten. Die Fahrschulzeit liegt bei vielen Verkehrsteilnehmern schon länger zurück und sie haben vergessen, was in dieser Situation zu tun ist. Bis das geklärt ist, verlieren die Retter viel Zeit und das kann Leben kosten.
Doch Unwissenheit schützt vor Strafe nicht und so hat der Bundesrat als letzte Maßnahme in der alten Legislaturperiode eine drastische Erhöhung der Geldbußen für dieses Fehlverhalten auf der Tagesordnung. Zukünftig sollen statt der bisherigen 20 Euro für das Nichtbilden einer Rettungsgasse mindestens 200 Euro an Bußgeld fällig werden. Schon seit April dieses Jahres ist die vorsätzliche Behinderung von Rettungskräften strafbar.
Respekt vor dem Gesetz kommt unter die Räder
Der Respekt vor der Straßenverkehrsordnung und den Ordnungshütern kommt immer mehr unter die Räder. Einige „schlaue“ Autofahrer nutzen den Standstreifen, um am Stau vorbeizufahren. Andere fahren über den Rasthof um sich weiter vorne im Stau wieder einzuordnen und die ganz Hemmungslosen fahren hinter dem Rettungswagen her. Einen neuen Höhepunkt der Rücksichtslosigkeit ereignete sich vor einigen Wochen auf der A 1 bei Köln. Dort dauerte einigen Autofahrern der Stau zu lange und sie wendeten kurzerhand auf der Autobahn und steuerten als „Geisterfahrer“ die nächste Ausfahrt an. Dumm nur, das eine Augenzeugin per Handy das unglaubliche Ereignis filmte. Es handelte sich bei den Falschfahrern um mindestens 13 Autofahrer, gegen die die Polizei jetzt ermittelt. Je nach verursachtem Gefahrenpotential droht den Fahrern ein Entzug des Führerscheins oder sogar Gefängnis.
Der private Videobeweis – ein umstrittenes Hilfsmittel
Der Videobeweis ist schon längst als Beweismittel vor Gericht anerkannt. Diese Videos werden unter juristisch klar definierten Vorgaben mit geeichten Kameras und von speziell geschulten Polizeibeamten erstellt. Jetzt wird erstmals ein privat erstelltes „Dashcam“-Video von einem Oberlandesgericht als Beweis anerkannt. Das OLG Nürnberg hat entschieden, dass Aufzeichnungen von Kameras, welche in Fahrtrichtung fest auf dem Armaturenbrett installiert sind in einem Zivilprozess verwertet werden dürfen. In der Pressemitteilung des OLG Nürnberg vom 7. September steht als Begründung: „Das Interesse des Beweisführers an einem effektiven Rechtsschutz und seinem Anspruch auf rechtliches Gehör überwiege das Interesse des Unfallgegners an dessen Persönlichkeitsrecht insbesondere dann, wenn andere zuverlässige Beweismittel nicht zur Verfügung stünden.“
Aus der Pressemitteilung des OLG Nürnberg:
Im konkreten Fall ging es um einen Unfall, der sich auf der A5 bei Karlsruhe ereignet hatte. Ein Lastwagen war auf ein vorausfahrendes Auto aufgefahren. Der Pkw-Fahrer verlangte 15.000 Euro Schadenersatz. Begründung: Der Laster sei zu schnell und zu dicht aufgefahren.
Der Lkw-Fahrer hingegen sah die Schuld bei dem anderen Fahrer. Der sei abrupt von der linken auf die rechte Spur gezogen und habe gebremst, sodass der Unfall unvermeidlich gewesen sei. Im Prozess vor dem Landgericht Regensburg hielt ein Gutachter theoretisch beide Versionen für möglich. Das Gericht stimmte daher der Auswertung der Videoaufnahmen aus dem Lkw zu.
Der Pkw-Fahrer war damit nicht einverstanden. Vor dem Oberlandesgericht Nürnberg klagte er gegen die Verwendung der Aufnahmen, weil er seine Persönlichkeitsrechte verletzt sah. Außerdem sah er sich in seinem Recht auf informationelle Selbstbestimmung beschnitten. Das Landgericht Regensburg erlaubte die Verwendung der Videoaufnahmen aus dem Lkw. Daraus ergab sich, dass der Lastwagenfahrer tatsächlich keine Schuld an dem Unfall hatte. Die Klage des Autofahrers wurde daher abgewiesen.