Entspannt stellt Deutschlands oberster Wettbewerbshüter Andreas Mundt die Erfolgsbilanz seiner Behörde am Donnerstag (27.6.) in Bonn vor und die kann sich sehen lassen. Allein 376 Millionen Euro an Bußgeldern verhängte das Kartellamt im letzten Jahr.
Betroffen davon waren 22 Unternehmen, Verbände, aber auch Einzelpersonen. Ins Visier des Kartellamtes waren so unterschiedliche Branchen wie die Edelstahlhersteller, Abpackbetriebe für Kartoffeln , Asphalthersteller und Zeitungsverlage geraten. Dabei profitiert die Behörde häufig von der „Kronzeugenregelung“. Wer als Erster „auspackt“ kommt glimpflich davon. Die anderen Teilnehmer der Preisabsprache müssen mit erheblichen Bußgeldern rechnen.
Neben dem Jahresbericht für 2018 präsentierte Andreas Mundt auch den „Tätigkeitsbericht 2017/2018“, der alle zwei Jahre erstellt wird und legte erste Zahlen für 2019 vor. Andreas Mundt dazu: „Im laufenden Jahr 2019 haben wir bislang Kartellverfahren wegen Absprachen bei Lesezirkel-Anbietern sowie im Bereich Fahrradgroßhandel wegen vertikaler Preisbindung abgeschlossen. Die Ermittlungen in einigen weiteren Verfahren sind bereits weit fortgeschritten.“
Digitale Agenda für die Zukunft
Neben die „klassische“ Tätigkeit der Wettbewerbsüberwachung ist inzwischen der Verbraucherschutz im digitalen Zeitalter getreten. Dazu Mundt: „Wir haben eine klare digitale Agenda. Wir wollen die Märkte für den Wettbewerb offen halten, neue Geschäftsmodelle ermöglichen und das Ausnutzen von Marktmacht gegen Verbraucherinnen und Verbraucher verhindern. „Marktmacht in der digitalen Wirtschaft ist etwas anderes als Marktmacht in der klassischen Wirtschaft,“ so Mundt. Seiner Meinung nach „kriecht“ sie durch Vernetzung in alle Lebensbereiche.
Für den Leiter des Kartellamtes ist klar, dass durch die gesellschaftliche Marktmacht der digitalen Unternehmen Fragen aufgeworfen werden, die über das Wettbewerbsrecht hinausgehen. Dem wollen sich die Wettbewerbshüter stellen.
Freie Märkte durch Zugang zum „Datenschatz“
„Wie können wir diese Marktmacht in den Griff bekommen?“ fragt Andreas Mundt. Für ihn ist der „Knackpunkt“ der Zugang zu den Daten. Hier besteht für den Chef des Kartellamtes Regelungsbedarf. Nach seiner Meinung ist besonders für die wettbewerbsrechtliche „Offenhaltung der Märkte“ ein freier Zugang zum „digitalen Datenschatz“ unverzichtbar.
Mundt ist sich sicher, daß seine Behörde schon heute in der Lage ist, mit dem vorhandenen Instrumentarium einen Datenzugang zu erzwingen. Doch für ihn ist der Gesetzgeber gefordert, die Frage der Datennutzung zu klären.
Hoffnungsträger GWB-Novelle
Mitte 2017 hat das Bundeskartellamt neue Kompetenzen für den Verbraucherschutz erhalten. Die Behörde kann jetzt Untersuchungen durchführen. Eingriffsmöglichkeiten auf der Grundlage des Gesetzes gegen unlauteren Wettbewerb (UWG) hat das Amt bisher nicht.
Als Beispiel nennt Mundt die Untersuchungsergebnisse bei Vergleichsportalen für Versicherungen. „Der Kunde glaubt, er habe die große Welt der Versicherungen vor sich, aber real sieht er nur die Hälfte des Angebots,“ sagt Mundt. Ihn stört besonders, daß die Internetportale den Eindruck erwecken, sie würden den Markt völlig abdecken.
„Wir möchten gerne Defizite, die wir auf einem Markt feststellen, auch beheben,“ sagt Mundt, der dieses Ziel mittels behördlicher Verfügungen erreichen will. „Wir wollen zukünftig nicht nur aufklären, sondern Verbraucherrechte auch zügig umsetzen,“ so der Kartellamtsleiter. Seiner Meinung nach könnte die anstehende GWB-Novelle an dieser Stelle Abhilfe schaffen.
Blick in die Zukunft
Um ein besseres Verständnis der digitalen Märkte zu bekommen, kooperiert das deutsche Kartellamt eng mit den französischen Kollegen. Momentan arbeiten beide Wettbewerbsbehörden an einem Thesenpapier zum Thema „Wettbewerb und Allgorithmen“. Die aktuellen Sektoruntersuchungen zu Online-Werbung, Smart-TV’s, Online-Vergleichsportalen und „Einsatz von Nutzerbewertungen auf digitalen Portalen“ zeigen, wo Arbeit auf die Wettbewerbshüter wartet.
Auch über Kryptowährungen denkt man im Kartellamt nach. Auf Nachfrage sagt Mund dazu: „Kryptowährungen sind für viele Behörden ein Thema, da sie für die Internetgiganten ein weiteres Mittel zur Kundenbindung sind.“ Für ihn ist das ein gutes Beispiel dafür, daß die Marktmacht der großen Internetunternehmen in alle Bereiche vordringt.
Der „digitale“ Andreas Mundt
Der Chef des Kartellamtes sieht die Digitalisierung aber nicht nur aus der wettbewerbsrechtlicher Perspektive, sondern auch aus seiner Sicht als „User“. Er sagt: „Aus der Suchhistorie von Andreas Mundt bei Google, kann man viel ablesen. Wenn man die Daten dann noch mit Facebook, Google Analytics und der Zugriffshistorie aller von mir besuchten Internetseiten zusammenführt, bekommt man schon ein gutes Bild.“ Damit weist er indirekt auf die vom Kartellamt gegen Facebook getroffene spektakuläre Entscheidung hin, die Sammlung persönlicher Daten zu begrenzen.