Immer wieder werden Vorwürfe laut, die Große Koalition sei handlungsunfähig. Bei genauerer Prüfung hat man eher den Eindruck von gesetzgeberischem Aktionismus. Bei einigen Neuregelungen gibt es aber Zweifel an der Sinnhaftigkeit.
Hier folgt eine Auflistung aktueller Gesetzesvorhaben und Planungen, die von den jeweiligen Bundesministern oder Bundesministerinnen medial präsentiert wurden (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) und erste Reaktionen dazu:
Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD)
Der Bundearbeitsminister verkündet einen „Herbst der Entscheidungen“. Bei „n-tv“ sagte er: „Wenn die Grundrente zum 1. Januar 2021 kommen soll, muss in diesem Herbst die Gesetzgebung beginnen“.
In der Gesetzespipeline befindet sich sein „Arbeit-für-morgen-Gesetz“. Mit diesem Gesetz will Heil die Regeln für Kurzarbeit überarbeiten, um gegebenenfalls auf eine wirtschaftliche Eintrübung reagieren zu können. Für konkrete Projekte hält die Bundesagentur für Arbeit 23 Milliarden Euro bereit.
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD)
Die SPD-Ministerin will mit einem neuen Gesetz die Unternehmenskriminalität bekämpfen. Künftig drohen Großunternehmen Bußgelder bis zu 10 Prozent ihres Jahresumsatzes. „Bei großen Konzernen reden wir hier über mögliche Sanktionen bis hin zu zweistelligen Milliardenbeträgen“, so Lambrecht. In der Süddeutschen sagte sie, in Zukunft werde es „nicht mehr möglich sein, dass ein Unternehmen die Verantwortung für systematische Straftaten bei Einzelnen ablädt, sondern es wird das gesamte Unternehmen in die Verantwortung genommen“.
Laut Gesetzentwurf gilt künftig das „Opportunitätsprinzip“ statt des „Legalitätsprinzips“. Dann muss die Staatsanwaltschaft automatisch ermitteln, wenn ein Verdacht gegen ein Unternehmen vorliegt. Bisher sind die Behörden für die Einleitung eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens zuständig. Nach dem Gesetzentwurf hätte das bisherige Recht „zu einer uneinheitlichen und unzureichenden Ahndung geführt“. Kritik von Seiten der Wirtschaft, sie würde unter Generalverdacht gestellt, kann die Justizministerin „nicht nachvollziehen“.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU)
Der Bundesgesundheitsminister stößt mit seinen Reformplänen für eine Neuordnung von Notfallversorgung und Rettungsdienst auf heftigen Widerstand. „Wir lehnen die Pläne von Bundesminister Spahn strikt ab“, erklärte Hans-Günter Henneke, der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Landkreistages gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Für den Kommunalvertreter ist das „eine ureigene kommunale Aufgabe, mit der die Krankenkassen nichts zu tun haben“.
Es geht bei dem Streit um einen Gesetzentwurf, in dem es um die Verknüpfung des ärztlichen Bereitschaftsdienstes mit den Rettungsleitstellen geht. Gleichzeitig soll die Zuständigkeit für den Rettungsdienst, die bisher bei den Ländern liegt, auf den Bund übergehen. Damit sind die Kommunen nicht einverstanden. Für Henneke wird damit „die Axt an funktionierende und bewährte kommunale Strukturen des Rettungsdienstes“ gelegt.
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)
Altmaier fordert „Freiheit im Straßenverkehr“ für E-Scooter und ist gegen strengere Regeln. Dabei dürfe aber die Verkehrssicherheit nicht zu kurz kommen. Gegenüber der Funke-Mediengruppe sagte er: „Durch E-Scooter dürfen nicht mehr Leute zu Schaden kommen als durch Fahrräder oder Motorräder!“ Mit seiner generösen Einstellung könnte Altmaier bald alleine dastehen. Die Forderungen nach Regulierung nehmen stetig zu. SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach will auf Grund der steigenden Unfallzahlen eine Null-Promille-Grenze. Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) ist unzufrieden. Sie verlangt eine Nachrüstung der E-Scooter mit Blinkern, um deren Verkehrssicherheit zu erhöhen.
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU)
Bei der geplanten Änderung des Telekommunikationsgesetzes will Verkehrsminister Scheuer die Bußgelder für säumige Mobilfunkkonzerne drastisch erhöhen. Unternehmen die ihre Verpflichtungen beim Netzausbau nicht erfüllen, sollen künftig mit Strafzahlungen bis zu 2 Prozent ihres Jahresumsatzes zur Kasse gebeten werden. Das berichten die Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Bisher ist 4G/LTE noch nicht flächendeckend verfügbar. Die Netzabdeckung beträgt in Deutschland erst 90 Prozent.
Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD)
Kritik erntet die Bundesumweltministerin von den Grünen für ihr aktuelles Gesetzesvorhaben, ein Verbot von Plastiktüten. „Das ist eine symbolische Einzelmaßnahme, die wenig hilft – zumal es ja noch Ausnahmen geben soll“, so der stellvertretende Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Oliver Krischer gegenüber RND. Nach seiner Meinung ist ein Gesamtkonzept zur Reduzierung von Einwegverpackungen erforderlich. Außerdem wollen die Grünen für die weiter erlaubten Plastiktüten eine Umweltabgabe. „Das Geld soll genutzt werden, um ein System von Mehrwegverpackungen zu etablieren“, so Krischer.
Außerdem will die aktive Ministerin ein Verbot von Ölheizungen zum Bestandteil des geplanten Klimapakets der Bundesregierung machen. „Was wir brauchen, ist ein Mix aus Verboten und Anreizen“, erklärt die SPD-Ministerin in der FAZ-Sonntagszeitung. Nach ihrer Meinung genügen Appelle an die Vernunft nicht. Svenja Schulze: „Wir sollten zum Beispiel sagen: Für die nächsten zehn Jahre helfen wir euch beim Umrüsten alter Ölheizungen, danach sind sie komplett verboten. Anders wird es nicht gehen.“
Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU)
Das staatlichen Textilsiegel „Grüner Knopf“ von Entwicklungsminister Müller bekommt wenig Applaus. Kritik kommt vom Netzwerk „Kampagne für Saubere Kleidung“. Deren Vertreter Uwe Wötzel sagte bei RND: „Textilien, die künftig den Grünen Knopf tragen, dürfen keinesfalls als fair oder sozial nachhaltig bezeichnet werden. Die Kriterien sind deutlich zu schwach, die Überwachung unzureichend und die Ausnahmen zu umfangreich“. Ihn stört der erlaubte Mindestlohn, der es nicht rechtfertige, von einer „fairen Produktion“ zu sprechen. Verdi-Mitglied Wötzel stört auch der „Blanko-Scheck“ für EU-Unternehmen. Diese müssen nicht nachweisen, dass sie die Menschen- und Arbeitsrechte einhalten.
Kritik kommt auch von Seiten der Textilindustrie, die zum überwiegenden Teil im „Gesamtverband der deutschen Textil- und Modeindustrie“ vertreten ist. Das ist ein Zusammenschluß von 25 Landes- und Branchenverbänden mit 1.400 zumeist mittelständischen Unternehmen. Darunter befinden sich 350 deutsche Qualitätsmodemarken. Verbandspräsidentin Ingeborg Neumann erklärte gegenüber RND: „Als Dachverband sprechen wir für die übergroße Mehrheit unserer Mitglieder, die alle die Sinnhaftigkeit des sogenannten grünen Knopfes in Fragen stellen. Wir haben bereits zahlreiche Qualitätssiegel, die auch international anerkannt sind. Ein zusätzliches nationales Siegel macht deshalb keinen Sinn“.
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Quelle: rb, dts