Der Bundestag hat die Einführung einer Musterfeststellungsklage ab dem 1. November 2018 beschlossen. Diese neuartige zivilrechtliche Klageform soll die Rechte der Verbraucher stärken. Jetzt muß nur noch der Bundesrat Anfang Juli zustimmen.
Mit der Musterfeststellungsklage können geschädigte Verbraucher gemeinsam gegen Firmen vorgehen und ihre Ansprüche gerichtlich prüfen lassen. Um das tun zu können, müssen sie sich vorher in ein kostenloses Klageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen. Dann führen „berechtigte“ Verbände, wie der Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV), stellvertretend ein „Mustergerichtsverfahren“ durch. Das ist ab einer Untergrenze von 10 betroffenen Verbrauchern möglich. Allerdings müssen sich zwei Monate nach der öffentlichen Bekanntmachung der Musterfeststellungsklage mindestens 50 Verbraucher im Klageregister eingetragen haben, damit die Musterklage durchgeführt werden kann.
Das Ergebnis dieses Verfahrens dient dann als Grundlage für individuelle Prozesse der Betroffenen. Dabei hat das Musterfeststellungsurteil Bindungswirkung. Auf diese Weise steigt die Wahrscheinlichkeit einer einvernehmlichen Regelung.
Um überhaupt ein Musterfeststellungsverfahren führen zu können, müssen die „berechtigten“ Verbände strenge Voraussetzungen erfüllen. So fordert das neue Recht von ihnen das Vorhandensein von mindestens zehn Unterverbänden oder alternativ 350 Mitgliedern. Außerdem dürfen sie nicht mehr als fünf Prozent ihrer Einnahmen von Unternehmen erhalten.
Auch Kleinunternehmen profitieren
In letzter Minute hat die große Koalition noch Änderungen vorgenommen. Auch kleine und mittelgroße Unternehmen sollen indirekt von der neuen Klagemöglichkeit profitieren können. Wenn sie eine eigene Klage gegen das betroffene Unternehmen eingereicht haben, kann ihr Verfahren solange ruhen, bis die Entscheidung im Musterverfahren gefallen ist.
Damit ein Musterklageverfahren nicht zu lange dauert, wird der Verfahrensgang bei den Gerichten beschleunigt. So sollen regional zuständige und spezialisierte Landgerichte für kürzere Verfahren sorgen.
VZBV-Chef bemängelt Finanzausstattung
Die Begeistung hinsichtlich der neuen Musterfeststellungklage hält sich bei den Verbraucherverbänden in Grenzen. Deutschlands oberster Verbraucherschützer Klaus Müller sieht seinen Verband für die neuen Klagemöglichkeiten schlecht gerüstet. Ohne zusätzliche staatliche Mittel ist es „nicht möglich, die neuen Herausforderungen zu stemmen“, sagte er erst kürzlich dem Handelsblatt. „Wer A zur Musterfeststellungsklage sagt, muss auch B zur besseren finanziellen Ausstattung des VZBV sagen“, so Müller gegenüber der Zeitung.
VZBV sieht Gesetzgeber in der Pflicht
Zusätzlich sieht Klaus Müller auch Bedarf an kompetentem Personal. Sein Verband verfüge zwar seit vielen Jahren über eine „profunde Klagekompetenz“, so der VZBV-Chef, aber die Musterfeststellungsklage ist etwas Neues. Es werde zukünftig um Sachverhalte gehen, die bisher nicht oder kaum vor Gerichten behandelt wurden. So könnten sich zum Beispiel kleine Schadenssummen in der Masse „enorm aufaddieren“.
„Wenn der Gesetzgeber will, dass wir klagebefugt sein sollen, dann muss er uns auch mit entsprechenden Ressourcen ausstatten“, fordert der Verbraucherschützer.
Grüne sehen Risiken
Die Grünen sehen mit der Musterfeststellungsklage erhebliche Risiken auf die Verbraucher zukommen. Die Teilnahmebedingungen sind der Grünen-Obfrau im Bundestags-Rechtsausschuss, Manuela Rottmann, ein Dorn im Auge. Für die Anmeldung zum Klageregister bestehe kein Anwaltszwang und die Anforderungen an eine „wirksame Anmeldung“ seien so hoch, dass sie von einem Laien nur schwer zu erfüllen sind. „Ohne einen Anwalt droht da ein Desaster“, sagte Rottmann gegenüber dem „Handelsblatt“. Kritisch sieht sie auch, dass staatlich finanzierte Verbände wie die Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) durch die engen Kriterien für eine Klagebefugnis privilegiert würden.
Droht ein Musterklage-Staatsmonopol?
Künftig sind nur Institutionen klageberechtigt, die ohne Gewinnerzielungsabsicht arbeiten und nicht wesentlich durch Unternehmen finanziert werden. Staatlich geförderte Einrichtungen bekommen damit „faktisch ein Monopol auf die Erhebung von Musterfeststellungsklagen eingeräumt“, warnt Manuela Rottmann. Für sie ist das „ein dramatischer Systembruch“, denn: „Gegen wen wie Musterfeststellungsklagen erhoben werden, darauf hat der Staat nun mittelbar Einfluss.“
Prinzip: The winner takes it all
Auch die FDP-Verbraucherpolitikerin Katharina Kloke übte im Vorfeld der Gesetzesverabschiedung im Handelsblatt Kritik. Nach dem Gesetzesentwurf führe nicht etwa die am besten geeignete qualifizierte Einrichtung die Klage, so die FDP-Bundestagsabgeordnete, es würde reichen, der Schnellste gewesen zu sein. Der Grund: das Gericht darf nur eine einzige Musterklage zulassen.
„Das hier festgeschriebene Windhund-Prinzip hilft weder dem betroffenen Verbraucher, noch dem redlichen Unternehmen“, kritisierte Kloke. „Besser wäre es, wenn das Gericht innerhalb einer bestimmten Frist den bestgeeigneten Klageführer unter mehreren auswählen würde oder zumindest einige wenige parallele Musterfeststellungsklagen zulässig wären.“
R.B. Mit Material der dts-Nachrichtenagentur