„Die Digitalisierung ist unumkehrbar“, stellt der Wirtschaftswissenschaftler und IT-Unternehmer Professor Dr. August-Wilhelm Scheer bei seinem Vortrag am 14. November im Düsseldorfer Kennedyhaus fest.
Die nordrhein-westfälische Landeshauptstadt war Startpunkt seiner Vortragsreise zum Thema digitale Unternehmen. Darüber will der engagierte IT-Experte mit vielen Interessierten ins Gespräch kommen. Folgen sollen Vorträge in Wien, München, Stuttgart und Hamburg.
Seine Botschaft: „Ein Unternehmen wird dann erfolgreich zur Unternehmung 4.0, wenn es bereit ist, die Digitalisierung offensiv anzunehmen. Es braucht dazu eine positive Einstellung zu neuen, auch fremden Technologien. Es benötigt strategisches Denken, Wissen über neue digitale Konzepte, Methoden sowie Technologien und den Mut, alte, bisher erfolgreiche, Geschäftsmodelle in Frage zu stellen und hinter sich zu lassen.“
SAP – der einsame Riese
Der einzige deutsche „Big Player“ im digitalen Business ist die Softwareschmiede SAP. Ein weltweit erfolgreiches Unternehmen. Scheer saß dort lange Jahre im Aufsichtsrat und hat mit dem von ihm entwickelte ARIS-System zum Erfolg der Walldorfer Unternehmenssoftware beigetragen. Erstmals ließen sich damit Geschäftsprozesse von einer einzigen Software aus verwalten und steuern. Das war eine Revolution und erleichterte den Kunden die Arbeit mit dem komplexen SAP-System.
Bei der Unternehmenssoftware hat Deutschland dank SAP Weltniveau. Was das digitale Privatkundengeschäft in dieser Größenordnung angeht ist für Scheer dagegen „der Zug abgefahren“. Da haben die Amerikaner gewonnen, stellt er nüchtern fest.
KI – früher unterschätzt jetzt überschätzt
Eine der Kerntechnologien für die neuen digitalen Unternehmen ist die Künstliche Intelligenz (KI). Anhand der sogenannten „Gartner Kurve“ erläutert der ehemalige Direktor des Instituts für Wirtschaftsinformatik im Deutschen Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz in Saarbrücken die Entwicklung dieser Zukunftstechnologie. Am Anfang standen hohe Erwartungen. Als diese nicht erfüllt wurden, kam es zur Enttäuschung. „Die Leute sagten, das wird ja sowieso nichts“, lächelt Scheer. Dann lösten extrem steigende Rechnerleistungen eine zweite Welle des Interesses an der KI aus, die immer noch anhält. Aber Scheer bleibt Realist und sagt: „Es wird mehr erwartet, je weniger die Leute davon verstehen.“
Digitalsteuer für Digital-Unternehmen?
Digitale Unternehmen erwirtschaften große Gewinne, aber sie benötigen nur wenige Arbeitnehmer. Das Gleichgewicht zwischen den Produktionsfaktoren Arbeit und Kapital, ein langjähriger Garant für den sozialen Frieden, könnte bald der Vergangenheit angehören. Jetzt diskutiert die Politik über eine Digitalsteuer, um für einen Ausgleich zu sorgen.
Dafür hat IT-Unternehmer Scheer kein Verständnis. Für ihn ist die Digitalsteuer kein geeigneter Hebel, um Probleme auf dem Arbeitsmarkt zu lösen. Er sagt: „Die Politik denkt zu statisch.“ Nach Meinung des IT-Pioniers ist es sinnvoller, Facharbeiter zu Ingenieuren weiterzubilden.
Gesetzlichen Regelungen sieht der ehemalige Professor überhaupt kritisch: „Regulierungen bringen nichts, weil wir da an Entwicklungen nicht teilnehmen.“
StartUp‘s mit Unternehmer-Gen
Heute fördert der 77-jährige Wirtschaftswissenschaftler, der 2017 in die Hall of Fame der Deutschen Forschung aufgenommen wurde, junge StartUp-Unternehmen. Dabei legt Scheer besonderen Wert auf „unternehmerische Verantwortung“. Aus diesem Grund fördert er prinzipiell nur 25 Prozent der Investitionssumme. Die jungen Unternehmer sollen lernen, „mehr aus den Möglichkeiten zu machen“.
Sein Vorzeige-StartUp heißt Okinlab. Auf deren Software-Plattform können Kunden Möbel selbst entwerfen. Aus den dort erstellten CAD-Dateien produzieren Großschreinereien mit geeigneten Maschinen die Möbelteile und übernehmen den Versand. Bei den Gründern von Okinlab mußte Investor Scheer Überzeugungsarbeit leisten. Er brachte sie dazu, auf den Aufbau einer eigenen Möbelfabrik zu verzichten. Sein Argument: „Digitale Unternehmen kommen künftig ohne Maschinen aus. Airbnb macht keine Betten und Uber hat keine Autos.“
Nachdenken über die Autoindustrie
„BMW ist auch ein Plattformunternehmen“, so Scheer bei seinem Vortrag in Düsseldorf. Für ihn ist es noch nicht entschieden, ob im Autobau zukünftig Software die entscheidende Rolle spielt, oder die Hardware. Für Hardware stehen die deutschen Autobauer mit ihren Fahrzeugen. Für Software Anbieter wie Google, die Betriebssyteme für die selbstfahrenden Autos von morgen entwickeln.
Der IT-Pionier erinnert seine Zuhörer an die Geschichte von IBM und Microsoft, wo aus dem Hardwaregiganten ein Zulieferer wurde. „Heute ist die Software das Auswahlkriterium,“ sagt Scheer und fährt fort „die Hardware wird passend dazugekauft.“ Nach seiner Meinung droht diese „Gefahr einer Umkehr“ auch der deutschen Autoindustrie.
Wegweiser zum Unternehmen 4.0
Zum Abschluss der Veranstaltung im Kennedyhaus stellte Professor Dr. August-Wilhelm Scheer noch kurz sein neustes Buch vor. Auch als Autor hat sich der vielseitige Wissenschaftler einen Namen gemacht. Fast 50 Titel von ihm sind aktuell immer noch lieferbar und werden im Wissenschaftsbetrieb genutzt.
Zum Start der CEBIT 2018 präsentiere er “Unternehmung 4.0 – Vom disruptiven Geschäftsmodell zur Automatisierung der Geschäftsprozesse”. Darin behandelt er Technikkonzepte der Digitalisierung und gibt Antworten auf Fragen wie: Was macht digitale Geschäftsmodelle erfolgreich? Welche Auswirkungen hat die Digitalisierung auf die Organisation? Wie helfen KI, Data Mining, Robotic Process oder Blockchain bei der Automatisierung?