Das umstrittene Urteil gegen die Gießener Ärztin Kristina Hänel wegen Werbung für Schwangerschaftsabbrüche ist am Mittwoch (3.7.) vom OLG Frankfurt/Main aufgehoben worden. Zugute kam der Medizinerin, dass sich die Rechtslage während des Verfahrens zu ihren Gunsten geändert hatte.
„Das Urteil hat aufgrund der nach Erlass des landgerichtlichen Urteils eingetretenen Gesetzesänderung keinen Bestand“, begründete das Oberlandesgericht (OLG) in Frankfurt/Main seine Entscheidung.
Hintergrund: Die Ärztin betreibt in Gießen eine Arztpraxis. Sie führt dort Schwangerschaftsabbrüche durch und informiert darüber auf ihrer Homepage. Im November 2017 wurde sie deshalb vom Amtsgericht Gießen wegen Werbung für den Abbruch der Schwangerschaft (§ 219a StGB) zu einer Geldstrafe verurteilt. Das Landgericht Gießen wies ihre Berufung gegen dieses Urteil zurück.
Zwischenzeitlich ändere sich auf Grund der gesellschaftlichen Diskussion zum Thema die Rechtslage. Durch das „Gesetz zur Verbesserung der Information über einen Schwangerschaftsabbruch vom 22.3.2019“ wurde in den § 219a StGB ein weiterer Absatz angefügt. Er soll für Ärzte, Krankenhäuser und andere Einrichtungen Klarheit und Rechtssicherheit darüber schaffen, unter welchen Voraussetzungen sie straflos öffentlich über die Durchführung von Schwangerschaftsabbrüchen informieren können.
Die Medizinerin legte beim Oberlandesgericht Frankfurt/Main gegen die Entscheidung des Landgerichts in Gießen erfolgreich Revision ein. Das Urteil des Landgerichts wurde aufgehoben. Die Gießener Richter müssen nun neu entscheiden. „Das Urteil hat aufgrund der nach Erlass des landgerichtlichen Urteils eingetretenen Gesetzesänderung keinen Bestand“, so die Begründung des Oberlandesgerichts.
Aus der Entscheidung des Gerichts
Da das Revisionsgericht gemäß § 354a StPO bei der Überprüfung des landgerichtlichen Urteils einerseits die neue Gesetzeslage zu berücksichtigen hatte (§ 2 Abs. 3 StGB), andererseits aber an die Feststellungen des Landgerichts gebunden ist, musste das Urteil aufgehoben werden. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass noch Feststellungen getroffen werden können, die ergeben, dass die Informationen, die die Angeklagte im Internet über die in ihrer Praxis durchgeführten Schwangerschaftsabbrüche veröffentlicht hatte, bei Anwendung des neuen Rechts gemäß § 219a Abs. 4 StGB straflos wären. Die Sache muss daher vor dem Landgericht Gießen nochmals neu verhandelt werden.
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Quellen: dts, PM OLG Frankfurt/Main v. 3.7.2019
Az.: 1 Ss 15/19