Seit Donnerstag tagt der 57. Verkehrsgerichtstag in Goslar. Bis zum 25. Januar beraten hier über 1800 Verkehrsrechtsexperten aktuelle und zukünftige Verkehrsthemen. Diesmal im Fokus: Dieselfahrverbot, LKW-Unfälle und Versicherungsprobleme bei Leasingfahrzeugen.
Bei der Eröffnungsveranstaltung in der Kaiserpfalz betonte der neugewählte Präsident des Verkehrsgerichtstages Prof. Dr. Ansgar Staudinger, in seiner Begrüßungsansprache die familiäre Atmosphäre der Veranstaltung.
Der nach ihm sprechende Oberbürgermeister der Stadt Goslar, Dr. Oliver Junk, versuchte eher eine familiäre Trennung zu verhindern. Er wies auf die langjährige Verbundenheit seiner Stadt mit dem Verkehrsgerichtstag hin, als er sagte: „Aus den Themen kann man den Geist der Zeit ablesen.“ Die ausführliche Darstellung der Vorzüge Goslars in der Begrüßungsrede des Stadtoberhauptes haben einen Grund. Die Stadt Goslar muss um den Verbleib dieser großen und wichtigen Veranstaltung fürchten. Aber die Aussichten haben sich erheblich verbessert, seit das Land Niedersachsen sich zum Standort Goslar für den Verkehrstag bekannt hat.
Topthema Dieselfahrverbot
Eher nachdenklich war die Ansprache der niedersächsischen Justizministerin Barbara Havliza (CDU), die zunächst aber klarstellte: „Der Verkehrsgerichtstag gehört zu Goslar.“ Die Ministerin sagte ihren Zuhörern auch warum: „Es ist gut, daß wir hier in diesem historischen und ehrwürdigen Ambiente sprechen und auch tagen dürfen und nicht in einem namenlosen Kongresszentrum ohne Fenster in einer Messestadt.“
Rechtspolitische Überlegungen zu den anstehenden Dieselfahrverboten stellte die Ministerin in den Mittelpunkt ihrer Rede. Für Havliza haben die VW und andere Autokonzerne dafür gesorgt, daß sich der Verkehrsgerichtstag mit Rechtsansprüchen auf kostenlose Nachrüstung auseinandersetzen muß. Das Thema Fahrverbote eignet sich für Sie daher gut dazu, ein Schlaglicht auf aktuelle rechtspolitische Themen zu werfen.
Rechtsbindung und Rechtsdurchsetzung
Beispielhaft nennt Havlizka die Rolle der Justiz in politischen Debatten. Für die Justizministerin klafft die „Spannweite der Auffassungen“ immer weiter auseinander, in welche die Justiz unweigerlich einbezogen würde. Stichworte sind für sie dabei „Wetzlar“ und „Sami A.“. Die niedersächsische Justizministerin und CDU-Politikerin sagt ganz klar: „Was unabhängige Gerichte für Recht entscheiden, das muß gelten“. Weiter sagte sie: „Unser Staatsgefüge, um das uns im Ausland viele beneiden, käme erheblich ins Wanken, wenn man sich über Entscheidungen der dritten Gewalt einfach hinwegsetzen könnte.“ Nach ihrer Auffassung ist es schwierig, den Bürgern zu erklären, warum sie sich an Urteile halten sollen, wenn es ihnen der Staat falsch vorlebt.
Havlitzka mahnt, alle Kritiker sollten bedenken: „Die Justiz orientiert sich nicht am Spektrum der Meinungen, sie orientiert sich ausschließlich am Recht.“ Sie ist sich sicher, Gerichten wird in Zukunft immer stärker die Aufgabe zukommen Rechtsbindung einzufordern und rechtspolitische Debatten anzustoßen. Für die Justizministerin ist es ein wichtiges Ziel, „die Bedeutung einer unabhängigen Justiz im öffentlichen Bewußtsein zu stärken“.
Weites Themenspektrum
Ein Arbeitskreis beschäftigt sich mit dem Thema „Dieselfahrverbot“, zwei weitere Arbeitskreise wenden sich im weitesten Sinne „alkoholischen“ Bereichen zu. So zieht der Arbeitskreis I eine Bilanz des neu eingeführten Punktesytems. Offen ist dabei noch die Frage, ob die Punktereduzierung bei Besuch eines Fahreignungsseminars beibehalten werden soll.
Ein weitere Arbeitskreis diskutiert über „Alkolock‘s“. Das sind technische Systeme im Fahrzeug, die durch eine Atemalkoholmessung alkoholisierte Personen daran hindern, den Motor zu starten. Hier wird der Einsatz eines solchen Systems anstelle der vorläufigen Entziehung der Fahrerlaubnis diskutiert.
Im Arbeitskreis VI geht es um Bus- und LKW-Unfälle. Hier sind eher die technischen Experten gefragt. Denn die Unfälle passieren überwiegend durch Auffahren am Stauende, oder beim Abbiegen. Diskutiert werden Verbesserungen bei der Infrastruktur, einer besseren Ausbildung der Fahrer und optimierten Assistenzsystemen.
Das automatisierte Fahren ist auch ein Thema beim diesjährigen Verkehrsgerichtstag. Datenschutz ist hier der Knackpunkt. Es geht um die Schaffung eines gerichtlichen Beweisverwertungsverbots für solche Daten, die über den Umfang des Fahrmodusspeichers und die vom Verkehrsgerichtstag seit Jahrzehnten geforderte Unfalldatenaufzeichnung hinausgehen.
Um Ansprüche nach einem Verkehrsunfall mit einem geleasten oder finanzierten Fahrzeug geht es in einem weiteren Arbeitskreis. Das ist ein wichtiges, aber wenig beachtetes Thema. Ein großer Teil der in Deutschland zugelassenen Kraftfahrzeuge sind geleast oder sicherungsübereignet. Eigentümer ist die Leasinggesellschaft oder die Bank und nicht der Halter. Dieses Auseinanderfallen von Halter- und Eigentümereigenschaft birgt erhebliche Risiken für beide Seiten. Schon der 49. Verkehrsgerichtstag 2011 hatte beim Gesetzgeber angeregt, eine gesetzliche Grundlage für dass Problem zu schaffen. Jetzt nehmen die Verkehrsjuristen einen neuen Anlauf, um den Gesetzgeber zum Handeln zu bewegen.