Die deutschen Verwaltungsrichter sehen Nachbesserungsbedarf bei der geplanten Bundes-Notbremse. Allein den Inzidenzwert als Maßstab zu nehmen sei problematisch, da hier „ein gewisses Zufallselement“ vorhanden sei, sagt Robert Seegmüller, der Vorsitzende des Bundes der Verwaltungsrichter (BDVR).
Für die Verwaltungsrichter stelle sich die Frage, ob eine Beschränkung des Zugangs zu Handel oder Gastronomie „auf Geimpfte, Genesene und aktuell negativ Getestete gegenüber der vollständigen Schließung von Einrichtungen nicht ein milderes, gleich geeignetes Mittel darstellt“, sagte Seegmüller der Welt. Das sei ein verfassungsrechtliches Problem, „das mit wachsender Menge an Genesenen und Geimpften und der Verfügbarkeit von verlässlichen Schnelltests immer drängender wird“. Noch gebe es dazu keine gerichtlichen Entscheidungen. „Aber diese Fälle werden kommen, sie werden wohl schon bald zu entscheiden sein“, sagt Seegmüller.
Inzidenzwert beinhaltet Zufallselement
Der Vorsitzende der Richter-Vereinigung verwies in dem Pressegespräch auf die Problematik, allein den Inzidenzwert als Maßstab für Beschränkungen heranzuziehen. Dem Kriterium sei nicht „per se die Eignung abzusprechen“, allerdings sei klar: „Im Inzidenzwert steckt ein gewisses Zufallselement. Ein Landkreis kann Fälle verspätet melden. Der Wert hängt auch davon ab, wie viel getestet wird.“
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Als Ausweg schlägt Seegmüller vor, „den Inzidenzwert um weitere Parameter zu ergänzen, die dann insgesamt zu einer passgenaueren Prognose einer drohenden Überlastung des Gesundheitswesens führen“. Schließlich müsse der Gesetzgeber den Nutzen von Ausgangssperren nachweisen. „Der Gedanke des Gesetzentwurfs ist ja letztlich: Wir müssen die Leute zu Hause halten. Wir müssen Ausgangsbeschränkungen machen, um die Kontaktbeschränkungen besser durchsetzen zu können.“
Ausgangsperre: Fragwürdige Studien
Dieser Gedanke könne mit Blick auf die Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsprinzips aber nur überzeugen, „wenn es tatsächlich eine substantielle Zahl von Menschen gibt, die sich nicht an die jeweils geltenden Kontaktbeschränkungen halten. Bejaht man dies, lautet die zweite Frage: Werden diejenigen, die sich nicht an die geltenden Kontaktbeschränkungen halten, dann wenigstens die Ausgangssperre achten?“ Im Gesetzentwurf seien dazu drei Studien zitiert, die die Wirksamkeit von Ausgangsbeschränkungen belegen sollten. „Ich selbst kann diesen Studien diesen Inhalt nicht entnehmen. Andere Gutachter für den Gesundheitsausschuss konnten das auch nicht, so Seegmüller gegenüber der Zeitung.
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dts, rb