Vor dem Bundesgerichtshof (BGH) trafen sich jetzt ein Fluggast und seine Fluggesellschaft wieder. In Indien hatte der Passagier festgestellt, daß er das vorgeschriebene Visum vergessen hatte. Daraufhin wurde ihm die Einreise verweigert und der Airline eine hohe Geldstrafe aufgebrummt.
Der Passagier buchte im Frühjahr 2015 über die Internetseite der Airline einen Flug nach Indien. Da er bei seiner Ankunft nicht über das erforderliche Einreisevisum verfügte, verhängten die indischen Behörden gegen die Fluggesellschaft ein Bußgeld in Höhe von 100.000 Rupien (umgerechnet ca. 1.415 Euro). Der Grund: Die Airlines sind nach indischem Recht verpflichtet, dafür zu sorgen, das alle einreisenden Passagiere über ordnungsgemäße Dokumente verfügen.
Zurück in Deutschland verlangte die Fluggesellschaft die Erstattung des indidschen Bußgeldes von dem vergesslichen Passagier. In den Beförderungsbedingungen der Airline wird ausdrücklich das Vorhandenseins eines Visums gefordert. Der Fluggast zahlte aber nicht und so ging die Sache vor Gericht.
Das Amtsgericht verurteilte den Passagier zur Zahlung der geforderten Summe. Seine Berufung gegen das Urteil vor dem Landgericht war erfolglos. Jetzt mußte sich das höchste deutsche Gericht mit dem Fall beschäftigen. Der BGH hat das Berufungsurteil nun aufgehoben und die Sache zu einer erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Aus der Entscheidung des BGH:
Nach dem Urteil des für Reiserecht zuständigen X. Zivilsenats ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass den Beklagten die vertragliche Nebenpflicht getroffen hat, den Flug nicht ohne die für eine Einreise nach Indien erforderlichen Dokumente, insbesondere nicht ohne das erforderliche Visum anzutreten.
Allerdings hat das Berufungsgericht unzutreffend angenommen, ein Mitverschulden der Klägerin bei der Entstehung des Schadens komme nicht in Betracht, weil diese dem Beklagten gegenüber nicht zur Kontrolle seiner Einreisedokumente verpflichtet gewesen sei. Die Annahme eines Mitverschuldens (§ 254 BGB) setzt keine Rechtspflichtverletzung voraus. Vielmehr genügt eine zurechenbare Mitwirkung bei der Schadensentstehung in Form eines Verstoßes gegen Gebote der eigenen Interessenwahrnehmung. Eine solche Mitverursachung kommt im Streitfall in Betracht.
Die indischen Behörden haben der Klägerin das Bußgeld auferlegt, weil diese gegen ihre eigene rechtliche Verpflichtung verstoßen hatte, keinen Fluggast ohne das für eine Einreise nach Indien erforderliche Visum zu befördern. Die Klägerin war vor diesem Hintergrund im eigenen Interesse gehalten, vor dem Abflug in geeigneter Weise zu überprüfen, ob sich der Beklagte im Besitz der notwendigen Dokumente befindet.
Der Mitverschuldenseinwand ist durch ihre Beförderungsbedingungen, die nur die Pflicht des Fluggastes zur Mitführung der notwendigen Reisedokumente wiedergeben, nicht ausgeschlossen. Da das Berufungsgericht zu Art und Schwere der wechselseitigen Ursachenbeiträge bislang keine Feststellungen getroffen hat, ist die Sache nicht zur Endentscheidung reif.
Urteil vom 15. Mai 2018 – Az.: X ZR 79/17
Quelle: PM BGH vom 15.05.2018