Historiker kritisieren die Neufassung des Paragrafen 130 des Strafgesetzbuchs (StGB) zum Thema Volksverhetzung. „Ich sehe eine Gefahr darin, dass Erinnerungskultur die Geschichtswissenschaft überschreibt, die sich der Wahrheitssuche verpflichtet sieht“, sagt Andreas Wirsching, Direktor des Instituts für Zeitgeschichte in München.
Es könne nicht sein, „dass Tabus aufgerichtet werden, unter denen diese Wahrheitssuche leiden könnte“, so Wirsching gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung. Nach dem neuen Absatz 5 des Gesetzes soll künftig mit Strafe bedroht sein, wer Völkermord oder Kriegsgräuel leugnet.
Rechtsproblem für Historiker
Bislang galt diese Bestimmung für den Holocaust. Wirsching und sein Kollege Lutz Raphael, der Vorsitzende des Historikerverbands VHD ist, bemängeln, dass sie als Vertreter der Geschichtswissenschaft vor der Neufassung nicht konsultiert wurden. „Mit der neuen Regelung gerät jede Äußerung eines Historikers, die auf eine Klärung von Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit abzielt, in Gefahr, als Verleugnung angesehen zu werden“, so die Wissenschaftler.
Freiheit der Wissenschaft
Der VHD-Vorsitzende macht in der Zeitung darauf aufmerksam, dass die neue gesetzliche Bestimmung die freie Arbeit der Geschichtswissenschaft erheblich behindern könnte. „Es kann nicht sein, dass Historiker durch ein bestimmtes Meinungsklima daran gehindert werden, mit ihren Befunden und Argumenten an die Öffentlichkeit zu gehen“, so Raphael und sein Kollege Wirsching appellierte: „Ich plädiere dafür, Geschichtswissenschaft und Erinnerungskultur zu trennen. Historische Wahrheit ist oft nicht eindeutig zu fassen. Sie lebt von unterschiedlichen Perspektiven, die zu Wort kommen müssen. Erinnerungskultur aber braucht Eindeutigkeit.“
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Quelle: dts
