Im Handelsblatt kritisiert die ehemalige Richterin am Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Gertrude Lübbe-Wolff die Übergangslösung für eine Wahlrechtsreform. Die Maßnahmen für die Bundestagswahl 2021 liefen auf eine „ziemlich kleine Katzenwäsche“ hinaus.
Nach jahrelangem Streit hatten sich die Spitzen von CDU/CSU und SPD am Dienstagabend (25.8.) auf eine Wahlrechtsreform geeinigt, um ein weiteres Aufblähen des Bundestags zu verhindern. Für die Wahl 2021 sind erste Maßnahmen für eine Reduzierung der Sitzanzahl geplant. Erst für die Wahl 2025 sind grundlegende Änderungen vorgesehen. Eine Kommission wird die Wahlrechtsreform bis Mitte 2025 vorbereiten.
Übergangslösung wenig praktikabel
Die ehemalige Verfassungsrichterin kritisiert die für die Bundestagswahl 2021 geplante Übergangslösung. Dabei sollen die Überhangmandate „teilweise“ mit Listenmandaten verrechnet werden, um den Bundestag nicht unnötig zu vergrößern.
Ergänzend haben die Spitzen der GroKo vereinbart, dass „zugleich eine föderal ausgewogene Verteilung gewährleistet“ sein soll. „Genau da liegt aber der Hase im Pfeffer“, meint die erfahrene Juristin und argumentiert: „eine Anrechnung von Überhangmandaten auf Listenmandate ist nicht in dem Land möglich, in dem die Überhangmandate angefallen sind.“
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Für Lübbe-Wolff besteht das Problem darin, dass dort mehr Direktmandate gewonnen wurden als der betreffenden Partei in dem Land nach ihrem Zweitstimmenanteil zustehen. „Listenmandate, auf die man etwas anrechnen könnte, fallen daher für diese Partei gar nicht an“, so die Expertin.
Parteien: Zeit verbummelt
Auch die Wirkung des zusätzlich vorgesehenen Verzichts auf „bis zu drei“ Überhangmandate sei offen: „Je nach Interpretation bringt auch diese geplante Ausgleichsbegrenzung keinen großen Begrenzungseffekt für die Größe des Bundestages“, sagt die ehemalige BVerfG-Richterin. Lübbe-Wolf kritisiert in der Zeitung die verantwortlichen politischen Akteure. Ihre zögerliche Haltung habe den Zeitverlust verursacht, mit dem „jetzt entschuldigt werden soll, dass nichts Besseres herausgekommen ist“.
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Quelle: dts rb