Es gibt viele Berufe, die nicht dem Gesundheitsdienst und der Pflege zuzuordnen sind und dennoch ein erhöhtes Infektionsrisiko durch Covid-19 haben. Aber eine konkrete Liste mit Berufsgruppen, für die Covid-19 ebenfalls als Berufskrankheit anerkannt ist, existiert nicht und wird es wohl auch nie geben.
Die Anerkennung einer Corvid-19-Erkrankung als Berufskrankheit beschränkt sich – so eine aktuelle Stellungnahme des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) – „auf bestimmte Berufs- und Tätigkeitsfelder, insbesondere im Gesundheitsdienst und in der Wohlfahrtspflege, da hier bekanntermaßen ein deutlich erhöhtes Infektionsrisiko besteht“.
Ohne Erkrankte keine Berufskrankheit
Inwieweit eine Corona-Erkrankung darüber hinaus auch bei anderen Tätigkeiten als Berufskrankheit eingestuft werden kann, hänge davon ab, „ob bei diesen Tätigkeiten eine vergleichbare Infektionsgefahr besteht, was sich in entsprechenden Erkrankungszahlen niedergeschlagen haben muss“. Genau hier liegt das Problem, denn solche Zahlen existieren noch nicht. Und es gibt nach Auskunft des Ministeriums derzeit auch keine Liste, welche Berufe im Einzelnen dann am Ende tatsächlich anspruchsberechtigt wären.
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Hygienemaßnahmen verhindern Anerkennung
Ein weiteres Problem ergibt sich aus der Tatsache, dass die Zahl der Infektionen allein noch nichts über die tatsächliche Ansteckungsgefahr aussagt, der die einzelnen Berufsgruppen ausgesetzt sind. So ist z. B. davon auszugehen, dass es unter den durch Aerosole besonders gefährdeten Mitarbeitern in Zahnarztpraxen aufgrund der dort durchweg extremen Hygienemaßnahmen weniger Ansteckungen gibt als beispielsweise in der Gastronomie. Hieße das dann, dass in Zahnarztpraxen kein „erhöhtes Infektionsrisiko“ besteht?
Berufskrankheit oder alltägliches Risiko?
Neben Berufskrankheiten zählen auch Arbeitsunfälle zu den beruflichen Risiken, gegen welche die Beschäftigten ebenfalls über die gesetzliche Unfallversicherung abgesichert sind. Doch die Ansteckung mit dem Corona-Virus gilt in der Regel nicht als Arbeitsunfall, sondern wird von der Unfallversicherung als Berufskrankheit behandelt.
Maßgeblich für die Anerkennung von Covid-19 als Berufskrankheit sind drei Voraussetzungen: der Kontakt zu einer mit Covid-19 infizierten Person im Rahmen der beruflichen Tätigkeit im Gesundheitswesen, ein PCR-Test mit positivem Ergebnis, oder die entsprechende Krankheitserscheinungen.
Aber auch wenn der erkrankte Beschäftigte einen beruflichen Zusammenhang und eine Infektion am Arbeitsplatz plausibel geltend machen kann, ist nicht auszuschließen, dass er sich bereits auf dem Weg zur Arbeit oder gar in seiner Freizeit angesteckt hat. In diesem Fall könnte nach jetzigem Stand der Dinge eine Infektion eigentlich weder als Arbeitsunfall noch als Berufskrankheit geltend gemacht werden.
Beweis für Infektion am Arbeitsplatz
Der Nachweis einer am Arbeitsplatz erfolgten Infektion durch das Corona-Virus ist aber nur schwer zu erbringen. Und solange Corvid-19 als Pandemie eingestuft wird, dürfte die Anerkennung einer Corona-Erkrankung als Berufskrankheit oder Arbeitsunfall im Zweifelsfall juristisch entsprechend schwer durchsetzbar sein. Denn die gesetzliche Unfallversicherung wird die Kosten für Heilbehandlung und ggf. Rehabilitation nur übernehmen, wenn es im Rahmen der beruflichen Tätigkeit in ambulanten oder stationären medizinischen Einrichtungen nachweislich zum ausschlaggebenden, unmittelbaren Kontakt mit Covid-19-Erkrankten gekommen ist.
Juristen sind geteilter Meinung
„Selbst wenn man den Nachweis führen kann, dass man sich während der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit mit dem Coronavirus angesteckt hat, wird man wohl sagen müssen, dass eine Ansteckung während einer weltweiten Pandemie etwas ist, was einem immer und überall treffen kann“, konstatiert der Anwalt für Arbeitsrecht Alexander Bredereck auf dem Portal anwalt.de. Anders sieht das Felix Walcher, Generalsekretär der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin: „Wer nach dem Kontakt mit Covid-19-Erkrankten selbst an Covid-19 erkrankt, den dürfen wir nicht alleinlassen.“ Dafür sei die Aufklärung über die Anerkennung von Infektionskrankheiten als Berufskrankheiten ein wichtiger Baustein.
Unfallversicherungsträger entscheidet
Es ist nicht ausgeschlossen, dass eine Corona-Erkrankung auch bei Berufen, die nicht dem Gesundheitsdienst oder der Pflege angehören, als Berufskrankheit anerkannt werden können, muss aber im Einzelfall immer wieder neu geprüft werden. Denn eine verbindliche Übersicht über die in Betracht kommenden Berufsgruppen gibt es nicht.
„Eine abschließende Aufzählung hat der Verordnungsträger bewusst nicht vorgenommen, da sie wegen der unterschiedlichen Infektionskrankheiten, der Vielfalt der möglichen Lebenssachverhalte und der ständigen Weiterentwicklung von Tätigkeitsfeldern die Gefahr einer ständigen Unvollständigkeit mit sich bringt“, heißt es von Seiten des BMAS.
Verdachtsmeldung durch Hausarzt
Falls also der Verdacht besteht, dass eine Infektion tatsächlich am Arbeitsplatz verursacht wurde, ist es laut BMAS Aufgabe des behandelnden Arztes, den zuständigen Unfallversicherungsträger informieren. Der soll dann prüfen, „ob eine Berufskrankheit vorliegen kann“. Jeder Betroffene hat darüber hinaus die Möglichkeit, auch selbst beim Unfallversicherungsträger eine Verdacht auf eine Berufskrankheit zu melden. Formvorgaben gibt es hierfür nicht.