Der digitale Euro spielt in den Gedanken der Verbraucher derzeit keine grosse Rolle und das trotz ihrer Vorliebe für Plattformen wie PayPal, das Online-Banking oder diverse Kryptowährungen. Doch Banken und Wirtschaft fordern von der neuen Bundesregierung eine rasche Einführung des digitalen Zahlungsverkehrs.
Vor 20 Jahren wurde der Euro eingeführt, jetzt soll er digital werden. Dafür hat die für die Geldpolitik im Euroraum zuständige EZB bereits eine entsprechende Forschungsgruppe eingerichtet. Und nicht nur der IT-Branchenverband Bitkom fordert dringlichst, das Tempo bei der Erprobung des digitalen Euro zu erhöhen. Auch Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) macht Druck: „Wir brauchen den digitalen Euro, weil der Zahlungsverkehr immer stärker auf digitalem Wege abgewickelt wird.“ Das Finanzsystem werde sich schon bald durch digitale Währungen grundlegend verändern. „Warum brauche ich noch Münzen und Scheine, wenn ich alles bequem mit dem Handy bezahlen kann“, gab Fratzscher der dts Nachrichtenagentur zu Protokoll.
Bankkonten bald überflüssig ?
Aber es geht bei alledem nicht nur um Bequemlichkeit, sondern um das Funktionieren des globalen Finanzsystems – und um die künftige Rolle der Banken. Denn – so der DIW-Präsident: „Ihr klassisches Geschäftsmodell, kurzfristiges Geld der Sparerinnen und Sparer zum Teil längerfristig Unternehmen als Kredit zu gewähren, gerät damit in Gefahr. Mit dem digitalen Euro brauchen die Menschen eigentlich kein Konto mehr bei ihrer Bank, sondern bei der Zentralbank, und können darauf jederzeit zugreifen.“ Das gäbe der EZB eine direkte Kontrolle über die Geldschöpfung, frei von den Interessen der Privatwirtschaft.
Anzeige
BuchTIPP > Bankrechts-Kommentar (C.H.Beck 2021)
— Alles was der Bankrechts-Profi wissen muss —
Erfahren Sie mehr > juristische-fachbuchhandlung
Kein Wunder, dass alle betroffenen Akteure derzeit versuchen die Entwicklung noch zu ihren Gunsten zu beeinflussen. Zudem birgt eine virtuelle Zentralbank-Währung nicht unerhebliche Risiken in Sachen Datenschutz, und digitale Raubzüge und Betrügereien können nicht ausgeschlossen werden. Europa müsse deshalb dem Thema „eine höhere Priorität beimessen und die notwendigen Phasen der Untersuchung und Erprobung beschleunigen“, heißt es denn auch in einem Positionspapier der CDU, das dem Handelsblatt vorliegt.
Europa im Zugzwang
Nachdem bereits Venezuela als erstes Land der Welt eine Kryptowährung als offizielles Währungsmittel eingeführt hat und die Bahamas im Oktober 2020 den digitalen „Sand-Dollar“ in Umlauf gebracht haben, will nun auch das Riesenreich China seinen „E-Yuan“ mit großen Schritten voranbringen und ihn bald auch im internationalen Zahlungsverkehr einsetzen. Und inzwischen gibt es auch schon eine schwedische „eKrona“. Hinzu kommen die Pläne des US-Digitalkonzerns Facebook für die Digitalwährung Libra, die im Gegensatz zur Kryptowährung Bitcoin durch harte Währungen wie Dollar und Euro gedeckt sein soll.
Digitale Eigenständigkeit
Für Guido Zimmermann, Analyst bei der Landesbank Baden-Württemberg (LBBW), geht es bei der digitalen Variante des Euro deshalb auch und vor allem um die monetäre Eigenständigkeit der Eurozone: „Die EZB muss beim Digitalgeld monetär souverän sein und darf nicht von außereuropäischen Anbietern – seien es Zentralbanken wie der von China oder große Tech-Konzerne – abhängig werden.“ Für die Bürger des Euroraums würde es ohne die Einführung des digitalen Euros unangenehm werden, denn die neuen Anbieter von Digitalwährungen würden voraussichtlich weniger sorgfältig mit den Daten umgehen als die traditionelle Bankenwelt.
Testphase mit Verspätung
Um die Risiken und Nebenwirkungen einer digitalen europäischen Gemeinschaftswährung einschätzen zu können, hat sich die EZB fünf Jahre lang Zeit verordnet und plant jetzt erst einmal den Start einer zweijährigen Untersuchungsphase, in der u. a. die Ausgestaltung und die Verteilung des „Digital Euro“ – so die bereits markenrechtlich geschützte Bezeichnung – geklärt werden sollen. Bundesbank-Vorstand Burkhard Balz glaubt allerdings nicht an eine Einführung vor 2026 und befürchtet dann beim Start der europaweit einheitlichen Digitalwährung erst einmal einen Banken-Ansturm. „Natürlich könnten sich die Menschen in Europa für einen digitalen Euro entscheiden, weil sie hier eine hohe und absolute Ausfallsicherung haben“, sagte Balz in einem Gespräch mit der RTL/n-tv-Redaktion. In einem solchen als „Bank-Run“ bezeichneten Szenario würden die Bankkunden ihre Kontoguthaben bei den bisherigen Banken auflösen, um sie in digitales Zentralbankgeld umzuwandeln. Dafür könnten sie konventionelle Konten unter Kontrolle der EZB nutzen, die den Zahlungsverkehr über die bestehenden Systeme garantieren.
Um zu verhindern, dass Bankkunden abrupt ihre gesamten Einlagen in die digitale Währung tauschen und damit das gesamte Finanzsystem in Schwierigkeiten bringen, soll jeder EU-Bürger nur eine noch festzusetzende Höchstsumme in einem elektronischen Geldbeutel (Wallet) speichern können. Dabei wird es für den „Digital Euro“ keine Zinen geben, aber es werden auch keine Minuszinsen anfallen.
Wettrennen ums digitale Geld
Für Professor Philipp Sandner von der Frankfurt School of Finance & Management wäre es eine Katastrophe, wenn der Euro beim globalen Wettrennen um das Digitalgeld weiter hinterherhinkt. „Auch der US-Dollar ist in einigen Bereichen bereits digital geworden. Das größte Risiko ist, die Bedeutung der digitalen Währung zu unterschätzen und den Vorsprung zu anderen Währungsräumen größer werden zu lassen.“ Würden in Zukunft Maschinen der deutschen Autoindustrie mit chinesischem Digitalgeld bezahlt, so würden nicht wenige Politiker aufschreien, prophezeite Sandner noch im Juli gegenüber FOCUS Online.
Noch sind die Details der Ausstattung für den „Digital Euro“ offiziell weitgehend offen, und die unterschiedlichsten Akteure bringen sich noch in Stellung, um ihren Einfluss geltend zu machen. Allen voran natürlich die Banken, die um ihre Geschäftsmodelle bangen, und die Industrie, die vom programmierbaren Geld träumt– im Fachjargon Smart Contracts genannt. Doch die Frage ist, ob die Bürger das Digitalgeld in ihrem Leben tatsächlich brauchen, wo sie doch die komfortable Kartenzahlung haben, die auch fürs Online-Shopping bestens funktioniert. Da bedarf es wohl noch (Auf-)Klärung.