Nach der landläufigen Meinung gehören Anwälte zu den Spitzenverdienern in Deutschland. Die Realität sieht oft anders aus. Warum ist das so?
Anwaltliche Leistungen werden nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) abgerechnet. Die dort vorgesehenen Vergütungssätze sind für Anwälte immer häufiger nicht kostendeckend. Der Grund dafür ist die letzte Gebührenanpassung, die inzwischen 6 Jahre zurückliegt (2013) und die jährlich steigenden Kosten. Jetzt wollen die Freien Demokraten einen Antrag in den Bundestag einbringen, der die Bundesregierung auffordert, „noch vor der parlamentarischen Sommerpause ein konkretes Konzept zur Reform des RVG vorzulegen“. Dabei soll auch die Tariflohnentwicklung berücksichtigen werden.
Recht nur für Besserverdiener?
In der Antragsbegründung wird auf die Gefahr hingewiesen, dass arbeitsintensive Mandate, für die das RVG nur geringe Gebühren vorsieht, künftig von Anwälten nicht mehr angenommen werden könnten. Damit würde der Zugang zum Recht für den Bürger erheblich erschwert.
Auf ein weiteres Problem hat die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) beim Juristentag 2019 in Goslar hingewiesen. Sie kritisierte, dass Unternehmen gezielt die Tatsache nutzen, dass sich eine Klage mit geringem Streitwert für geschädigte Verbraucher wirtschaftlich nicht lohnt. Das Prozesskostenrisiko läßt Geschädigte auf die Durchsetzung ihres Rechtsanspuches verzichten.
Anwälte, für die sich die Arbeit nicht mehr lohnt – Bürger die auf die Durchsetzung ihrer Rechte verzichten. Ist Recht bald nur noch für Besserverdiener zu haben?
BMJ hat Verständnis aber kein Geld
Die Rechtsanwaltsvergütung wurde zuletzt 2013 an die wirtschaftliche Entwicklung angepasst. Die „Lohnrunde“ davor ist noch länger her, sie erfolgte im Jahr 1994! Schon vor einem Jahr hatten Bundesrechtsanwaltskammer und der Deutsche Anwaltverein eine Anpasssung der Anwaltsgebühren von Bundesjustizministerin Katarina Barley (SPD) in Höhe von 13 Prozent gefordert. Das Ministerium zeigte für die Forderung zwar Verständnis und teilte dem Handelsblatt auf Nachfrage mit: Der Wunsch der Anwaltschaft nach einer stärkeren Teilhabe an der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung sei „nachvollziehbar“. Aber gleichzeitig seien die Interessen der Länder zu berücksichtigen, für die eine Erhöhung der gesetzlichen Rechtsanwaltsvergütung zu Ausgabensteigerungen, insbesondere in den Bereichen Prozesskostenhilfe und Pflichtverteidigung führe.
Rechtsdienstleistungen zum Discounterpreis?
Ein Jammern, das bekannt vorkommt. Bei den aktuellen Tarifverhandlungen für den öffentlichen Dienst der Länder hieß es ja auch, die Forderungen der Gewerkschaft Verdi seinen „unbezahlbar“. Dabei ist die geforderte Anpassung der Anwaltsgebühren angesichts des soeben beschlossenen Tarifabschlusses im öffentlichen Dienst der Länder eher als angemessen einzustufen.
Die Tabellenentgelte der Beschäftigten im öffentlichen Dienst sollen in drei Schritten um 3,2 Prozent 2019, um 3,2 Prozent 2020 und um 1,4 Prozent 2021 steigen. Das macht in der Summe fast 8 Prozent in nur drei Jahren.
In der freien Wirtschaft sind die Tariflöhne allein im vergangenen Jahr laut statistischem Bundesamt (statis) durchschnittlich um 2,9 Prozent gestiegen. In einzelnen Branchen war der Anstieg noch höher, so zum Beispiel im Baugewerbe (5,7 %) oder im verarbeitenden Gewerbe mit einem Anstieg von 4 Prozent.
Organ der Rechtspflege als Bittsteller
„Das Bundesjustizministerium muss endlich liefern und sich verbindlich mit den Ländern besprechen, wie eine sach- und zeitgemäße Vergütung aussehen kann“, sagt die FDP-Abgeordnete Katrin Helling-Plahr im Handelsblatt. Sie fordert eine automatische Anpassung und sagt dazu: „In Zukunft sollte die Anwaltschaft als Organ der Rechtspflege nicht mehr alle Jahre als Bittsteller für eine Erhöhung der gesetzlichen Gebühren auftreten müssen. Wir sollten das RVG auf Räder stellen, um künftig eine regelmäßige Vergütungsanpassung und zeitgemäße Gebühren sicherzustellen.“
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Der Kommentar
Rechtsstaatlichkeit ist nicht zum Nulltarif zu haben. Nach langem Gezeter bekommen die Länder durch den „Pakt für den Rechtsstaat“ jetzt Bundesmittel um ihre Justiz zu stärken. Bis zum Jahr 2021 sollen bei den Ländern 2000 neue Richter und Staatsanwälte eingestellt werden. Diese profitieren dann von Tarifabschlüssen, welche die Gewerkschaft verdi für den öffentlichen Dienst aushandelt und die in der Regel für Beamte übernommen werden.
Ein „Pakt für den Rechtsstaat“ sollte aber auch die Anwälte berücksichtigen. Der richtige Weg dazu ist die Anpassung der Anwaltsgebühren an die steigenden Lebenshaltungskosten. Auch Anwälte haben mit steigenden Personal- und Mietkosten zu kämpfen. Die Forderung der FDP nach einer regelmäßigen Anpassung der Anwaltsgebühren ist vernünftig und der Hinweis, dass ein „Organ der Rechtspflege“ nicht als Bittsteller dastehen sollte, macht nachdenklich.
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RB, dts-Nachrichtenagentur