Der Gasverbrauch muß sinken und mehr Gas in die Speicher, sonst wird es im nächsten Winter „wirklich eng“, warnt Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne). Kohlekraftwerke sollen vorübergehend die umweltfreundlicheren Gaskraftwerke ersetzen und den Gasverbrauch senken.
Angesichts der Drosselung der Gaslieferungen aus Russland will die Bundesregierung jetzt Maßnahmen ergreifen, um Gas einzusparen. Unter anderem werde der Einsatz von Gas für die Stromerzeugung und die Industrie gesenkt, teilte das Wirtschaftsministerium am Sonntag (19.6.) in Berlin mit. Zudem werde die Befüllung der Speicher weiter forciert.
Habeck: Lage ist ernst
„In den letzten Tagen hat sich die Lage am Gasmarkt verschärft“, sagt Habeck. Nach seiner Meinung kann der Ausfall noch ersetzt werden und auch die Befüllung der Gasspeicher laufe, wenn auch zu hohen Preisen. „Die Versorgungssicherheit ist aktuell gewährleistet, aber die Situation ist ernst“, so Habeck, der jetzt mit einer entsprechenden Gesetzesvorlage die rechtliche Grundlage für staatliche Steuerungsmaßnahmen schafft.
Gasersatzreserve auf Abruf
Das entsprechende Gesetz ist bereits im parlamentarischen Verfahren. Die Abstimmung im Bundesrat ist für den 8. Juli vorgesehen und die Neuregelung soll danach zeitnah in Kraft treten. Auch die erforderliche Ministerverordnung, mit der die Gasersatzreserve aktiviert wird, wird bereits vorbereitet, teilt das Wirtschaftsministerium mit.
Ungeliebte Kohlekraftwerke
„Mit dem Gesetz richten wir eine Gasersatz-Reserve auf Abruf ein“, sagte Habeck und ergänzte noch: „Wir rufen die Gasersatz-Reserve ab, sobald das Gesetz in Kraft getreten ist.“ Das bedeute dann für eine Übergangszeit mehr Kohlekraftwerke. Das sei bitter, aber in der aktuellen Lage notwendig, um den Gasverbrauch zu senken. „Wir müssen und wir werden alles daran setzen, im Sommer und Herbst so viel Gas wie möglich einzuspeichern. Die Gasspeicher müssen zum Winter hin voll sein.“ Das habe oberste Priorität, so Habeck.
Industrie soll Gas sparen
Eine weitere geplante Maßnahme der Regierung ist ein Gasauktionsmodell zur Reduktion von Industriegas. Es soll industrielle Verbraucher anreizen, Gas einzusparen. Um die Einspeicherung von Gas zu sichern, will die Bundesregierung zudem zusätzliche KfW-Kreditlinien zur Verfügung stellen.
Anzeige
Neuauflage 2022 >> Energierecht (dtv-Textausgabe)
Bleiben Sie informiert – juristische-fachbuchhandlung
Rückhalt in der Ampel
Habecks Pläne, Kohlekraftwerke zur Stromproduktion zu nutzen, um den Gasverbrauch in Deutschland zu senken, stoßen auf Zustimmung in den Ampel-Koalition. „Es ist richtig, dass Wirtschaftsminister Habeck für die Energie-Versorgungssicherheit auch Kohlekraft in Reserve hält, denn eine Laufzeitverlängerung der Atomkraftwerke scheidet aus vielerlei Gründen aus und stellt faktisch keine Alternative dar“, sagte SPD-Fraktionsvize Matthias Miersch der Welt. Für ihn sind Kohleausstieg und Klimaziele nicht gefährdet, „wenn wir das wichtigste Ziel dieser Koalition in der Energiepolitik – den maximalen schnellen Ausbau der erneuerbaren Energien – konsequent verfolgen“.
Grüne reagieren flexibel
Die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im Deutschen Bundestag, Julia Verlinden, beurteilt die geplanten Maßnahmen ihres Parteikollegen so: „Das vordringliche Ziel, den Kohleausstieg in Deutschland bis 2030 zu vollenden, bleibt unangetastet.“ Die Klimakrise sei eine „existenzielle Bedrohung, deswegen hat die Energiewende weiterhin oberste Priorität“. Nur mit Erneuerbaren und vermehrten Anstrengungen bei der Energieeffizienz mache man sich „dauerhaft unabhängig von fossilen Rohstoffimporten“. Eine längere Nutzung von deutschen Atommeilern komme nicht infrage, so Verlinden: „Der Ausstieg aus der Hochrisikotechnologie Atomkraft wird im Dezember vollendet.“
Opposition sieht Mängel
„Der Vorschlag von Robert Habeck muss dringend nachgebessert werden“, sagt der klima- und energiepolitische Sprecher der Union, Andreas Jung (CDU). Er erinnert daran, dass Gasverstromung vielerorts für die Kraft-Wärme-Kopplung mit Fernwärme notwendig ist. Dort dürfe es keine Drosselung geben.
Jung fordert eine stärkere Nutzung von Biomasse und eine Überprüfung des Stilllegungsplans bei Atommeilern. „Sollen die letzten drei Kernkraftwerke wirklich mitten in dem Winter abgestellt werden, in dem nach Einschätzung der Bundesregierung eine Energiemangellage drohen kann?“
Atomkraft wirklich unverzichtbar?
Wirtschaftsminsiter Habeck hat da eine klare Meinung. Für ihn ist Atomkraft keine gute Alternative zur Kohle. Der Grund: Die erforderlichen Brennelemente für eine Verlängerung der Laufzeit der Meiler wären erst Mitte bis Ende 2023 verfügbar. „Ich versuche, mich von dem Parteiprogramm jetzt fernzuhalten und das zu tun, was für die Versorgungssicherheit in Deutschland am notwendigsten getan werden muss. Und die Atomkraft wäre zu spät gekommen“, stellte Habeck in der ZDF-Sendung „heute journal“ dazu nüchtern fest. Insgesamt verfolge er aber weiter das Ziel „schnell aussteigen aus der Verbrennung von fossilen Energien und die Erneuerbaren mit großer Geschwindigkeit aufbauen.“
.
Quelle: dts-Material