Ein vom Senat in Auftrag gegebenes juristisches Gutachten mischt die Karten auf dem Berliner Wohnungsmarkt neu. Investoren, die in „Betongold“ investiert haben, könnten herbe Verluste erleiden.
Das 21-seitige Kurzgutachten eines Verwaltungsrechtlers kommt zu dem Schluss, dass eine Enteignung von Immobilienkonzernen wie der Deutschen Wohnen und die Überführung in Gemeineigentum nach Artikel 15 des Grundgesetzes zulässig ist. Das Land Berlin könnte ein entsprechendes Enteignungsgesetz erlassen.
Das Gutachten mit dem Titel „Rechtliche Stellungnahme – Volksentscheid zur Vergesellschaftung großer Wohnimmobilien in Berlin“ war vom Senat in Auftrag gegeben worden, wie der Spiegel berichtet. Ersten groben Schätzungen des Senats zufolge würde die Enteignung den Steuerzahler bis zu 36 Milliarden Euro kosten.
Die Initiatoren eines Volksentscheids zur Vergesellschaftung der Immobilienkonzerne sind da optimistischer. Sie rechnen mit Entschädigungskosten zwischen 9 und 12 Milliarden Euro für die Unternehmen, die mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin besitzen.
Entschädigung unter dem Verkehrswert
Es gibt aber in dem Gutachten noch einen weiteren, für die Wohnungskonzerne unschönen Aspekt. Außerdem, so heißt es in der Stellungnahme, dürfte die „festzulegende Entschädigung den Verkehrswert der vergesellschafteten Immobilien deutlich unterschreiten“. Damit könnten die Investoren bei ihren Mietimmobilien viel Geld verlieren, wenn der Senat von seiner Enteignungsoption Gebrauch macht.
Mietaktivisten starten Volksentscheid
Kritiker wie der Mietaktivist Michael Prütz wollen die Wohnungskonzerne enteignen, die in Berlin mehr als 3000 Wohnungen besitzen. Der Sprecher eines Volksbegehrens kritisiert in der Sendung „Maischberger“ die Profitgier der Konzerne, die mit ihren Wohnungen 10 bis 11 Prozent Rendite erzielen. Deshalb will er mit weiteren Initiatoren ab dem 6. April Unterschriften für den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ sammeln.
Die taz-Wirtschaftsredakteurin Ulrike Herrmann ist sich bei „Maischberger“ sicher, dass es noch schlimmer kommt. Immer mehr Menschen drängten in die Städte, um dort zu arbeiten. Herrmann sagt: „Der Immobilienmarkt ist der zentrale Markt für Spekulation. Jede große Krise war immer auch eine Immobilienkrise.“
.
Der Kommentar
Mit dem jetzt vorliegenden Gutachten hat der Berliner Senat ein gutes Argument in der Hand um die großen Wohnungskonzerne bei Mieterhöhungen zur Zurückhaltung zu mahnen. Die Alternative einer möglichen Enteignung wäre für die Immobilien-Investoren höchst unerfreulich, würde sich doch ein Großteil des Wertzuwachses ihrer Wohnungen in der berühmten Berliner Luft auflösen.
Ein Schaden für die Wohnungskonzerne dürfte schon eingetreten sein. Bei einem Verkauf der Wohnungen würde ein potentieller Käufer einen erheblichen Preisabschlag für das mögliche Enteignungsrisiko verlangen.
Auch bei Mieterhöhungen müssen die Wohnungsunternehmen künftig vorsichtiger zu Werke gehen. Bei zu großen Steigerungen werden die Stimmen, die nach Vergesellschaftung rufen, lauter werden und den Senat vielleicht dazu bringen von seiner Option Gebrauch zu machen.
.
RB, dts-Nachrichtenagentur