Ralf Borowski spricht mit Rechtsanwalt Dr. Peter Küpperfahrenberg von der Essener Kanzlei Linten Rechtsanwälte über das neue Reisevertragsrecht, welches am 1. Juli 2018 in Kraft treten wird. Neben die bekannte Pauschal- und Individualreise tritt künftig die „verbundene Reiseleistung“.
R.B.: Eine Gesetzesreform wie für die Internet-Vertriebsplattformen gemacht! Das EU-einheitliche Formblatt verführt doch zu einer Ankreuz-Absolution wie bei den allgemeinen Geschäftsbedingungen. Ankreuzen und weitermachen. Wo ist da der Schutz durch Information für den Verbraucher?

Rechtsanwalt
Dr. Peter Küpperfahrenberg
Linten Rechtsanwälte
in Essen
Wäre nicht ein „Beratungsprotokoll“ wie bei Banken die bessere Wahl gewesen?
Dr. Peter Küpperfahrenberg: Ein Beratungsprotokoll hätte sicherlich für noch mehr Verbraucherschutz gesorgt. Es wäre aber auch deutlich weniger praktikabel gewesen. Wenn sich Unternehmer UND Verbraucher die Intention des Gesetzgebers zu Herzen nehmen, wird durch die Informationspflicht schon ein recht guter Verbraucherschutz aufgebaut. Wenn die Kunden allerdings alles einfach ungelesen ankreuzen, hilft weder eine standardisierte Information noch ein Beratungsprotokoll.
R.B.: Worauf sollte der Verbraucher zukünftig bei seiner Urlaubsbuchung achten?
Dr. Peter Küpperfahrenberg: Wenn er größtmöglichen Schutz haben möchte, sollte er weiterhin eine Pauschalreise buchen. Wenn er über das neue Konstrukt der verbundenen Reiseleistung Schutz sucht, sollte er darauf achten, dass die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen, er also über einen Vermittler zwei verschiedene Leistungen für eine Reise bucht, eine zeitlich enge Verbindung zwischen den beiden Vertragsschlüssen liegt und auch die zweite vermittelte Leistung einen erheblichen Anteil am Gesamtwert der Zusammenstellung ausmacht.
Natürlich schützt das alles nicht vor Reisemängeln und unerfreulichen Urlaubserlebnissen. Aber es schafft ggf. einen Ausgleich nach dem Ende des Urlaubs.
R.B.: Kann der Reisevermittler oder das Reisebüro durch die Neuregelungen bei den „verbundenen Reiseleistungen“ nicht ungewollt in die Rolle des Reiseveranstalters geraten, mit allen damit verbundenen Haftungsproblemen?
Dr. Peter Küpperfahrenberg: Ja, das kann das Büro bzw. der Vermittler. Verstößt der Vermittler gegen seine Pflichten aus der Umsetzung des Richtlinie, haftet er wie ein Veranstalter (Art. 19 III der RL). Für Reisebüros bedeutet dies eine neue Haftungsgefahr, aber das scheint vom europäischen Gesetzgeber so gewollt zu sein.
R.B.: Der Schutz bei Pauschalreisen wird mit der Gesetzesänderung noch weiter ausgebaut. Welche neuen Rechte hat der Urlauber ab dem nächsten Jahr?
Dr. Peter Küpperfahrenberg: Das kann man sehr schön auf der Internetseite des Bundesministeriums für Justiz und Verbraucherschutz nachlesen. Da heißt es bei Fragen und Antworten zur Umsetzung der Pauschalreise-RL:
- Der Reisende muss künftig ausführlicher und anhand von europaweit einheitlichen Formularen informiert werden. Neben dem Veranstalter treffen auch den Reisevermittler Informationspflichten.
- Wenn sich der Veranstalter im Vertrag ein Recht auf eine Preiserhöhung vorbehält , soll der Reisende ebenso ein Recht auf eine Preissenkung haben
- Das bewährte Mängelgewährleistungsrecht der §§ 651a ff. BGB bleibt dem Grunde nach erhalten, wird aber übersichtlicher nach dem Vorbild des deutschen Kauf- und Werkvertragsrecht und mit einem höheren Schutzniveau für den Reisenden geregelt. So werden etwa die Entlastungsgründe des Reiseveranstalters bei Schadensersatzansprüchen des Reisenden ausdrücklich und abschließend aufgezählt. Zudem bestehen für Veranstalter demnächst kaum noch Möglichkeiten, die Haftung wirksam zu beschränken.
- Für Situationen, in denen Reisende wegen unvermeidbarer, außergewöhnlicher Umstände nicht wie vereinbart zurückbefördert werden können, hat der Reiseveranstalter neben den Kosten einer vereinbarten Rückbeförderung auch die Kosten für die weitere Beherbergung des Reisenden für bis zu drei Übernachtungen zu tragen, ggf. auch länger.
- Die Geltendmachung von Reisemängeln wird erleichtert: Es genügt künftig auch, wenn Reisemängel dem Reisevermittler angezeigt werden, die Mängelanzeige hat nicht mehr zwingend gegenüber dem Reiseveranstalter oder einer von diesem benannten Stelle zu erfolgen. Außerdem muss der Reisende Ansprüche wegen Reisemängeln nicht mehr innerhalb eines Monats nach Reiseende anmelden. Er kann seine Rechte jetzt innerhalb von zwei Jahren geltend machen, auch wenn es natürlich wegen der Beweislage sinnvoll ist, sich möglichst früh darum zu kümmern.
R.B.: Wer sind Ihrer Meinung nach die Gewinner der Neuregelungen : Die Reisebüros, die Verbraucher oder die Onlineportale und warum?
Dr. Peter Küpperfahrenberg: Gewinnen setzt einen Wettkampf oder ein Spiel voraus. Wer dann schließlich Gewinner ist, weiß man immer erst nachher; hier wird man es erst wissen, wenn sich ab Sommer nächsten Jahres die neue Rechtslage konkret darstellt und vor allem wenn klar ist, wie die Gerichte mit den sich dann herauskristallisierenden Sachverhalten umgehen.
Verlierer sind sicherlich nicht die Verbraucher. Ihnen ist noch mehr Schutz gewährt worden. Onlineportale werden sich sehr schnell an die neue Rechtslage anpassen. Ich tippe also darauf, dass insbesondere (kleinen und mittelständischen) Reisebüros das Leben schwerer gemacht wird. Sie haften unter Umständen wie ein Veranstalter. Außerdem sind sie für die Kunden auch einfacher zur Rechenschaft zu ziehen als das Onlineprotal.