Immer wieder loten rechtsextreme Gruppierungen sprachlich die Grenzen des demokratischen Rechtsstaates aus. Jetzt hat das Oberlandesgericht (OLG) in Hamm klare Grenzen gesetzt, wann der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist.
Ein 32-jähriger Dortmunder hatte im Sommer 2016 auf einer Internetseite, für die er verantwortlich war, in einem Artikel den Vorsitzenden einer jüdischen Gemeinde unter anderem als „der freche Juden-Funktionär“ bezeichnet. Daraufhin hatte das Amtsgericht Bielefeld den Mann wegen Volksverhetzung und Beleidigung zu einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt.
Seine Berufung gegen dieses Urteil beim Landgericht Bielefeld war erfolglos. Gegen das Urteil des Landgerichts wehrte sich der Angeklagte mit einer Revision beim zuständigen Oberlandesgericht in Hamm, bei der er argumentierte, seine Äußerung sei vom Recht auf freie Meinungsäußerung gedeckt. Doch die OLG-Richter waren nicht seiner Meinung.
Aus der Entscheidung des Gerichts:
Das Grundrecht auf Meinungsfreiheit – so der Senat – gelte nicht vorbehaltlos und finde nach Artikel 5 Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) unter anderem eine Schranke in den allgemeinen Gesetzen, zu denen auch § 130 des Strafgesetzbuches (StGB) gehöre. Der Angeklagte spreche von dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde als „der freche Juden-Funktionär“. Der Begriff des „frechen Juden“ gehöre zum charakteristischen Vokabular der Sprache des Nationalsozialismus. Ohne Zweifel handele es sich bei der Verwendung dieser Begrifflichkeit um eine auf die Gefühle des Adressaten abzielende, über bloße Äußerung von Ablehnung und Verachtung hinausgehende Form des Anreizens zu einer feindseligen Haltung gegenüber Menschen jüdischen Glaubens, so dass diese Äußerung ein „Aufstacheln zum Hass“ im Sinne von § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB darstelle. Dass der einschlägig wegen Volksverhetzung vorbestrafte Angeklagte die o. g. Begrifflichkeit in einem Zusammenhang mit nationalsozialistischer Rassenideologie genutzt habe, lasse nur darauf schließen, dass es ihm gerade auf den herabwürdigenden und an den Nationalsozialismus anknüpfenden Sprachgebrauch angekommen sei.
Quelle: PM OLG Hamm vom 19.02.2020, Az. III-3 RVs 1/20
Nicht anfechtbarer Beschluss des 3. Strafsenats vom 28.01.2020
Vorinstanz: AG Bielefeld: Az. 39 Ds 1027/17 , LG Bielefeld: Az. 011 Ns 39/18
.
Hinweis des OLG Hamm zur Entscheidung
- Art. 5 Abs. 1 und 2 GG lauten wie folgt:
(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
- § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB lautet wie folgt:
(1) Wer in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören,
1.gegen eine nationale, rassische, religiöse oder durch ihre ethnische Herkunft bestimmte Gruppe, gegen Teile der Bevölkerung oder gegen einen Einzelnen wegen seiner Zugehörigkeit zu einer vorbezeichneten Gruppe oder zu einem Teil der Bevölkerung zum Hass aufstachelt, zu Gewalt- oder Willkürmaßnahmen auffordert oder
[…]
wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.