Mit einem hochpolitischen Thema startete der Deutsche Mietgerichtstag 2019 am letzten Freitag in der Dortmunder Westfalenhalle. Wie kann das öffentliche Baurecht zur Lösung der Wohnraumkrise beitragen?
Die Antwort lieferte der Grünen-Politiker und Jurist Dr. Thomas Weigelt (33) in seinem Einführungsvortrag „Wege aus der Wohnraumkrise“ beim Deutschen Mietgerichtstag 2019 in Dortmund. Für ihn ist der Wohnungsmangel eine der „großen sozialen Fragen unserer Zeit“. Das sei ein „sozialer Sprengstoff“, der einen Nährboden für politische Radikalisierung bilden könne.
Für den im Berliner Ausschuss für Stadtentwicklung, Bauen und Wohnen aktiven Juristen sind das Bauplanungsrecht und das Mietrecht zwei Seiten derselben Münze. Er sieht im Mietrecht auch einen Teil des städtebaulichen Regelungssystems.
Für Weigelt geht es um die Bereitstellung von bezahlbarem Wohnraum in den Metropolen. Es geht ihm um die 40 Prozent der Berliner, die weniger als 1.500 Euro netto im Monat verdienen und die 10 Prozent Berliner, die von Arbeitslosengeld und Sozialhilfe leben müssen.
Der Bebauungsplan als Chance
Weigelt verweist auf die Chancen die im öffentlichen Baurecht liegen, um das Problem der fehlenden Wohnungen in den Griff zu bekommen. Mit Blick auf die starke Position der Investoren sagt er: „die Gemeinde ist dem nicht hilflos ausgesetzt“. Es bedürfe eines hohen Maßes an Konkretisierung bei den Bebauungsplänen, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken. Die Ausgestaltung des Bebauungsplans ist für ihn der Hebel, um potentielle Bauherren zu einer städtebaulichen Kooperation mit der Kommune zu veranlassen.
Große Hoffnungen setzt Weigelt auf das im Baugesetzbuch geregelte „Kooperative Verfahren“. Dabei wird zwischen dem bauwilligen Investoren und der Gemeinde ein „Städtebaulicher Vertrag“ in Form eines Durchführungsvertrages geschlossen. Dieser Vertrag ist mit dem städtischen Bebauungsplan verknüpft und bietet den Kommunen viele Gestaltungsmöglichkeiten. So können sie Investoren verpflichten, neben Wohnraum auch Kitas bereitzustellen und einen Teil der Wohnungen mit sozialer Wohnbauförderung zu errichten. Auf diese Weise entstehen kostengünstige Wohnungen und Infrastruktur für die Bewohner. Weigelt verweist auf bereits bestehende Modelle wie das „Bündnis für Wohnen“ in Hamburg und den „Münchener Weg“.
Politik ist gefordert
Für Weigelt stellen sich „viele interessante rechtliche Fragen“ bei der Gestaltung dieser Durchführungsverträge. Er sieht aber auch „gesetzgeberischen Handlungsbedarf“. Der Grünen-Politiker fordert mehr Selbstbewußtsein von den Städten und möchte die Planungs- und Vermessungsämter aufwerten, die nach seiner Meinung „seit Jahrzehnten unterfinanziert sind“.
Bei den zuständigen Behörden beobachtet Weigelt auch eine „Abneigung gegen innovative Ideen“ und bemängelt den zu geringen städtebaulichen Einfluss der Kommune, welche Art von Wohnraum entsteht.
Der Jurist sieht noch ein weiteres Problem. Das Mietrecht habe zwar eine „hohe Regelungsdichte“, was Miethöhe oder Nebenkosten betrifft, jedoch die Zusammensetzung der Mieter sei nicht geregelt. Der Berliner Jurist sieht in einem Anreizmodell für Vermieter die Lösung, damit sozial schwächere Mieter keine Nachteile bei der Suche nach einer bezahlbaren Wohnung haben.
Milieuschutz-Satzung gegen Verdrängung?
Der baurechtlich erfahrene Kommunalpolitiker warnt davor, von einer Milieuschutzsatzung zu viel zu erwarten. Weigelt verweist auf die städtebauliche Ausrichtung dieses Instruments, das pauschal die Zusammensetzung der Bewohner eines Viertels sicherstellen soll. Der einzelne Mieter wird durch diese Satzung nicht geschützt. Weigelt erklärt: „Milieuschutz ist kein Mieterschutz!“
Dennoch sieht er in der Milieuschutz-Satzung ein wirkungsvolles städtebauliches Mittel, um Luxusrenovierungen zu begrenzen, Eigentumsumwandlungen zu verhindern und das gemeindliche Vorkaufsrecht in diesen Wohngebieten zu stärken. Auch eine Umwandlung von Wohnraum in Ferienwohnungen für eine kurzfristige Vermietung ist in diesen Vierteln nicht mehr möglich. In der Summe wirken die einzelnen Maßnahmen einer Verdrängung der bisherigen Mieter entgegen.
Für die Zukunft möchte der politische aktive Jurist das Baugesetzbuch an die Realitäten der wachsenden Großstädte mit ihren Verkehrsproblemen und der kommenden Mobilitätswende anpassen.
Weigelt blickt positiv in die großstädtische Zukunft und sagt: „Die moderne Stadt lebt von einem Miteinander verschiedener Nutzungen, die das Auto überflüssig machen und die begehrte Vielfältigkeit bedeuten.“ Dazu möchte er die Stadtplanung bisheriger Prägung in eine aktive Stadtentwicklungsplanung weiterentwickeln.