Bahnkunden könnten künftig bei Zugverspätungen weniger Entschädigungsansprüche haben. Das planen jedenfalls die EU-Mitgliedsstaaten. Um das zu erreichen, soll am Montag eine Änderung der EU-Fahrgastrechteverordnung von den EU-Verkehrsministern beschlossen werden. Davor warnen Verbraucherschützer eindringlich.
Laut dem vorabgestimmten Beschlussentwurf, den die finnische Ratspräsidentschaft vorgelegt hat, sollen die Entschädigungsansprüche in einer Reihe von Fällen höherer Gewalt entfallen – Ausnahmen sind etwa vorgesehen für extreme Wetterbedingungen, schwere Naturkatastrophen oder in Fällen, in denen der Bahnverkehr durch Selbstmorde, Betreten der Gleise, Kabeldiebstähle, Notfälle im Zug, Strafverfolgungsmaßnahmen oder Sabotage behindert wird. Die Pläne basieren auf einem Vorschlag der EU-Kommission aus dem Jahr 2017. Verbraucherschützer und Verkehrsverbände protestieren im Vorfeld und fordern einen Verzicht auf die Absenkung der Fahrgastrechte.
Der Bahnkunde ist der Dumme
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (VZBV) erklärte gegenüber Zeitungen der Funke-Mediengruppe: „Wenn jetzt die Bahnunternehmen in Fällen höherer Gewalt von Entschädigungspflichten befreit sind, führt dies für die Kunden zu erheblicher Rechtsunsicherheit und zu zahllosen Auseinandersetzungen, wie wir sie beim Flugverkehr schon kennen. Wir befürchten, dass die Unternehmen versuchen werden, sich sehr oft auf diese Ausnahmeregelung zu berufen, um Entschädigungspflichten zu umgehen.“ Dann müssten die Bahnkunden in jedem Einzelfall beweisen, dass es sich nicht um einen Ausnahmefall gehandelt hat. Die Verbraucherschützer warnen, dass unter diesen Umständen „viele Kunden dann doch lieber das eigene Auto nehmen statt die Bahn“.
Mit Klimaschutzzielen unvereinbar
Der Verkehrsclub Deutschland (VCD) erklärte: „Solange die Bahn Probleme mit der Pünktlichkeit hat, müssen die Fahrgäste wenigstens klare Ansprüche auf Entschädigung bei Verspätungen haben.“ Die Pläne der Verkehrsminister seien „verbraucherunfreundlich und auch nicht mit den Klimaschutzzielen der EU vereinbar“. Ähnlich äußerte sich die Verkehrsexpertin der Grünen im EU-Parlament, Anna Deparnay-Grunenberg: Durch die vorgeschlagene Neuregelung drohe den Bahnreisenden ein „massiver Rückschritt“ und eine „nicht hinnehmbare Rechtsunsicherheit“, sagte sie den Funke-Zeitungen.
Immer mehr Entschädigungszahlungen
Das damalige EU-Parlament hatte sich 2018 gegen Ausnahmeklauseln bei den Entschädigungsregeln ausgesprochen und vielmehr eine Erhöhung der Entschädigungsansprüche gefordert. Auf die endgültige Regelung müssen sich nun der Rat der Mitgliedstaaten und das neue Parlament einigen.
Nach den geltenden Entschädigungsregeln muss die Bahn bei einer Verspätung ab 60 Minuten 25 Prozent des Fahrpreises auf Antrag erstatten, ab 120 Minuten sind 50 Prozent des Fahrpreises fällig. In Deutschland machen immer mehr Bahnkunden von diesem Recht Gebrauch: 2018 stiegen die entsprechenden Erstattungen für Zugverspätungen und –ausfälle der Bahn auf rund 54 Millionen Euro, eine Verdopplung innerhalb von zwei Jahren.
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Quelle: dts-Nachrichtenagentur