Das Amtsgericht München verurteilte ein Münchener Ehepaar zur Einhaltung der Mittagspause von 13 bis 15 Uhr. Zwischen 9 und 20 Uhr kann in der Eigentumswohnung zwei Stunden Schlagzeug gespielt werden. An Sonn- und Feiertagen darf nur eine Stunde musiziert werden, entschied die zuständige Richterin.
Geklagt hatte die im zweiten Obergeschoss wohnende, berufstätige Nachbarin. Das beklagte Ehepaar lebt mit seinem Sohn in der Erdgeschosswohnung. Diese hat einen Hobbyraum, der über eine Wendeltreppe zugänglich ist. Es existiert keine Hausordnung. Die Gemeinschaftsordnung enthält eine allgemeine Gebrauchsregelung, dass die im Sondereigentum stehenden Räume nur in einer Weise genutzt werden dürfen, die nicht die Rechte der übrigen Eigentümer über das bei einem geordneten Zusammenleben unvermeidliche Maß hinaus beeinträchtigen dürfen. Die Wohnungen dürfen nur für Wohnzwecke genutzt werden.
Der Sohn des Ehepaars studiert Schlagzeug und hat als Mitglied einer professionellen Jazzband sein Schlagzeug in dem Hobbyraum der Beklagten aufgestellt. Nach Ansicht der Klägerin würde es sich bei dem Schlagzeugspiel um eine gewerbliche Tätigkeit handeln. Das aber sei in der betroffenen Eigentumswohnung nicht erlaubt. Außerdem seien Monotonie und Lautstärke des Schlagzeugs unerträglich belastend. Der Schlagzeuger halte sich an keine Ruhezeiten und spiele zu sämtlichen Tageszeiten, auch an Sonn- und Feiertagen. Deshalb solle das Gericht das Üben verbieten.
Das beklagte Ehepaar sieht das anders. Nach ihrer Meinung liegen zwischen dem Hobbyraum und der Wohnung der Klägerin zwei Vollgeschosse. Der Hobbyraum sei zusätzlich mehrfach schallisoliert. Das würde eine erhebliche Beeinträchtigung der Klägerin ausschließen. Außerdem sei musizieren innerhalb der eigenen Wohnung ein sozial übliches Verhalten und dürfe nicht völlig untersagt werden. Es könne im Interesse anderer Hausbewohner allenfalls zeitlich beschränkt werden.
Ein weiteres Argument des beklagten Ehepaars war das Studium des Sohns. Diese müsse studienbedingt täglich üben. Das Schlagzeugspiel sei eine körperliche Tätigkeit, die einen hohen Fitnessgrad voraussetze. Dieser könne, wie die Fingerfertigkeit und Professionalität des Spiels, nur durch tägliches Training beibehalten werden.
Der vom Gericht beauftragte Sachverständige kam zu dem Ergebnis, dass die Grenzen zumutbaren Lärms nach der bei Errichtung des Hauses geltenden DIN 4109 von dreißig Dezibel um zwei bis vier Dezibel überschritten werden. Deshalb gab die zuständige Richterin der Klage teilweise statt.
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Aus der Begründung des Gerichts:
„Ein vollständiges Musikverbot käme nur aufgrund schwerwiegender, nach dem Empfinden eines verständigen Durchschnittsmenschen nicht mehr hinnehmbarer Störung in Betracht. (…). Eine solche schwerwiegende Störung liegt aber hier nicht vor, denn zwischen dem Hobbyraum, in dem Schlagzeug gespielt wird und der Wohnung der Klägerin liegen doch zwei Vollgeschosse und die Wohnung der Klägerin ist auch noch seitlich versetzt, so dass die Geräusche nicht in vollem Maße bei der Klägerin ankommen, sondern gedämpft. (…) Ein völliges Verbot könnte deshalb hier nicht ausgesprochen werden. (…)“
Auch bei professionell ausgeübtem Musizieren (…) kann ein Musizieren grundsätzlich nicht vollständig verboten werden, zumal dies auch einen unerlaubten Eingriff in das Grundrecht der Berufsfreiheit bedeuten würde. Außerdem betreibt der Sohn der Beklagten keinen Gewerbebetrieb, der in der Wohnung, die nur zu Wohnzwecken dient, nicht betrieben werden dürfte. Ein Musizieren kann deshalb als freiberufliche Tätigkeit gewertet werden, die, wenn sie so wie hier untergeordnet ist, auch in Wohnungen ausgeübt werden darf. (…) Sind bei Musizieren mit Instrumenten trotz schalldämmender Maßnahmen Geräuschbelästigungen in benachbarten Wohnungen nicht völlig auszuschließen, steht das Interesse des einen Wohnungsinhabers an der Musikausübung dem des anderen an ungestörter Ruhe gegenüber. (…) Dabei darf nicht außer Acht gelassen werden, dass die Ausübung von Musik einen wesentlichen Teil des Lebensinhalts bilden und von erheblicher Bedeutung für die Lebensfreude sein kann und dass das Musizieren in der eigenen Wohnung zum Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit zu rechnen ist. Andererseits muss beachtet werden, dass die eigene Wohnung die Möglichkeit zum Leben mit der Familie, zur Entspannung und Erholung und zur häuslichen Arbeit eröffnen, mithin auch die jeweils notwendige, von Umweltgeräuschen möglichst ungestörte Ruhe bieten soll. (…) Zu berücksichtigen sind hier auch die Interessen des Sohnes der Beklagten, der vor allem am Wochenende einen Übungsraum benötigt, weil er nur meistens am Wochenende, (mit Ausnahme der Semesterferien) zu Hause ist, so dass ein völliger Ausschluss des Schlagzeugspielens an Sonn- und Feiertagen nicht zulässig wäre und dem Sohn deshalb die Ausübung des Schlagzeugspielens für eine Stunde erlaubt sein soll (mit Ausnahmen der Ruhezeiten).“
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Quelle: PM AG München vom 31.1.2020
Aktenzeichen 484 C 14424/16 WEG
Das Urteil ist nach Rücknahme der Berufung seit 21.11.2019 rechtskräftig.