Auf ein geteiltes Echo stößt die, von der Ampel-Koalition geplante, Einrichtung eines „Ernährungs-Bürgerrates“ bei den Rechtsgelehrten. Insbesondere die Quoten-Regelung bei der Besetzung des Bürgerrates ist umstritten.
Bei der Zusammensetzung des Bürgerrats soll eine „ausgewogene Beteiligung“ mit Blick auf die Kriterien Alter, Geschlecht, regionale Herkunft, Gemeindegröße und Bildungshintergrund erreicht werden. Insgesamt 160 in Deutschland lebende Personen ab 16 Jahren werden dem Bürgerrat angehören. Dabei soll der Anteil der sich vegetarisch oder vegan ernährenden Personen berücksichtigt werden.
Bürgerrat schwächt Demokratie
Der Verfassungsrechtler und emeritierter Professor für Staats- und Verwaltungsrecht der Universität Leipzig, Christoph Degenhart, kommentierte das Vorhaben in der Welt so: „Der Vorschlag stellt das parlamentarische System infrage.“ Bürgerräte erweckten seiner Ansicht nach den Eindruck, „dass die Politiker es nicht können und sich daher Hilfe suchen müssen“. Nach seiner Meinung schwächt ein Bürgerrat die Demokratie, „da die gewählten Abgeordneten sich der Verantwortung entziehen.“
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Degenhart: „Der Bürgerrat ist eine scheindemokratische Veranstaltung. Die Abgeordneten selbst müssen das Vertrauen in die Demokratie durch ihr Handeln stärken: Näher am Bürger sein und Fragen behandeln, die für sie unmittelbar von Interesse sind.“
Keine Entscheidung = kein Problem
Volker Boehme-Neßler, Professor für Öffentliches Recht an der Universität Oldenburg, würde das Format gerne ausprobieren. „Weil die Bürgerräte keine verbindlichen Entscheidungen treffen, gibt es kein rechtliches Problem. Das Parlament kann sich beraten lassen, von wem es will“, erklärt der Staatsrechtler. „Wenn der Bürgerrat dabei hilft, dass die Politik besser versteht, was die Menschen umtreibt, wäre das ein Gewinn.“
Quote: Eingriff in die Freiheit
Professor Boehme-Neßler hat jedoch Vorbehalte, was die Umsetzung angeht. „Wenn das gerechte Instrument des Losens durch mehr oder weniger willkürliche Quoten eingeschränkt wird, kann es das Versprechen der gleichen Chance für alle nicht mehr einlösen. Quoten greifen in die Freiheit und Allgemeinheit der Wahl und damit in Grundideen der Demokratie ein.“
Mehr Akzeptanz und Vertrauen
Christine Landfried, emeritierte Professorin für Vergleichende Regierungslehre an der Universität Hamburg, begrüßt das Vorhaben. „Ein Bürgerrat kann die Akzeptanz in die demokratischen Institutionen wieder stärken und verloren gegangenes Vertrauen zurückgewinnen“, sagte sie. „Die gewählten Repräsentanten können politische Entscheidungen besser im Interesse des Gemeinwohls treffen, wenn sie sich mit den Argumenten der Bürger aus allen sozialen Schichten auseinandersetzen.“
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Quelle: dts, bo