Jeder Besucher einer Gaststätte muss Namen und Adresse angeben, damit die Gesundheitsämter potentielle Ansteckungswege erkennen und Betroffenen warnen können. Rechtsgrundlage sind die Corona-Verordnungen der Länder. Doch inzwischen nutzt auch die Polizei diese Gästelisten zu Fahndungszwecken und beruft sich dabei auf die Strafprozessordnung.
Dagegen protestiert der Hotel- und Gaststättenverband DEHOGA. Er fordert von den Bundesländern eine klare Regelung der Zugriffsrechte in den jeweiligen Corona-Verordnungen. Der Verband sieht das Vertrauen der Gäste in den Datenschutz durch die Gastronomie gefährdet.
Datenschutz wird untergraben
Auch der Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU) kritisiert: „Der Kunde muss sich auch auf Datenschutz verlassen können.“ Alles andere würde die Glaubwürdigkeit der Politik untergraben und schaffe in der Gastronomie enorme Verunsicherung, meint der Tourismus-Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Energie.
Polizei sieht sich im Recht
Die Interessenvertretung der Polizei reagiert verständnislos auf die Animosität der Gastwirte. „Wenn der Verdacht einer Straftat vorliegt und andere Ermittlungsansätze nicht erkennbar sind, muss es die Möglichkeit geben, solche Gästelisten einzusehen und die Daten auszuwerten, das sehen die jeweiligen Gesetze auch vor“, stellt Rainer Wendt, der Vorsitzende der Polizeigewerkschaft (GdP) fest. Die Aufregung ist für Wendt „wenig verständlich“. Eine Änderung der Zweckbestimmung sei rechtlich zulässig. Der stellvertretende GdP-Vorsitzende , Jörg Radek, ergänzt: „Ob solche Listen zu Ermittlungen herangezogen werden, entscheidet nicht die Polizei allein, sondern die Staatsanwaltschaft oder ein Richter.“
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BMJV klärt die Rechtslage
Die Strafverfolgungsbehörden dürften nach den Regeln der Strafprozessordnung (StPO) „auf die bei Gastwirten aufbewahrten Kontaktdaten der Gäste zugreifen, wenn die entsprechenden Voraussetzungen vorliegen“, stellte eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums (BMJV) gegenüber der Funke-Mediengruppe klar.
Allerdings, schränkte die BMJV-Vertreterin ein, müsse eine solche Maßnahme immer „in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere der jeweiligen Tat stehen.“ Das Ministerium fordert die Polizei daher auf, „beim Zugriff auf Corona-Kontaktdaten in Restaurants den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten.“
Bayerns Innenminister beschwichtigt
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) verteidigt die Verwendung von Corona-Kontaktlisten für die polizeiliche Strafverfolgung in Ausnahmefällen. Davon sei „nur ein Dutzend Mal in ganz Bayern“ Gebrauch gemacht worden.
„Das ist eine absolute Ausnahme nach den strengen Vorgaben der Strafprozessordnung. Es wird keineswegs von der Polizei beliebig darauf zugegriffen“, so der CSU-Politiker. Befürchtungen, dass sich aus Angst vor polizeilicher Ahndung bald kaum mehr jemand die Gästelisten einträgt, hält Hermann für „völlig“ unbegründet.
Länder ohne einheitliche Linie
Während Hamburg, Rheinland-Pfalz und Bayern munter Gebrauch von Ihren rechtlichen Möglichkeiten machen, zeigen sich andere Bundesländer zurückhaltender. So versichert der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU), dass Corona-Kontaktdaten in seinem Bundesland nicht zur Strafverfolgung verwendet werden. „Die Daten von Gaststättenbesuchern werden nur zur Nachverfolgung von möglichen Infektionswegen genutzt“, versichert Strobl gegenüber der Presse. Für ihn ist eine anderweitige Verwendung der Daten unzulässig.
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Hintergrund
Bis auf Sachsen haben alle Bundesländer eine Registrierungspflicht in Restaurants und Cafés. Mit deren Hilfe wollen sie Infektionsketten schneller unterbrechen. Die persönlichen Daten der Gäste werden registriert und für eine gewisse Zeit aufbewahrt.
Nach der Strafprozessordnung (StPO) kann ein Richter zur Ermittlung von Straftaten eine Beschlagnahme von Gegenständen (auch Corona-Gästelisten) anordnen. Ist Gefahr im Verzug, kann dies auch ein Staatsanwalt. Eine „Umwidmung“ (Zweckänderung) der beschlagnahmten Daten über die rechtlich vorgegebene Nutzungsbeschränkung hinaus ist, unter bestimmten Bedingungen (Aufklärung einer Straftat), möglich. Das Problem: Die Kriterien für eine „Zweckänderung“, zum Beispiel die Schwere der erforderlichen Straftat oder die Verhältnismäßigkeit, wurden bisher noch nicht klar definiert.
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Quelle: Material der dts-Nachrichtenaentur