Der Schwarz- und Graumarkt der Online-Glücksspiele boomt wie nie zuvor. Mit einer Reform des Glücksspielstaatsvertrages sollen jetzt die Anbieter überwacht und die Spieler im Hinblick auf Suchtgefahren kontrolliert werden.
„Wenn der Staat jetzt auch noch beim Online-Zocken und –Pokern mitverdienen will und dabei mit dem Hinweis auf den Spieler-Schutz seine Kontrollmöglichkeiten ausbaut, dann soll er das ruhig tun. Ich lasse mich aber nicht zum gläsernen Spieler machen und werde dann wohl noch mehr bei ausländischen Anbietern zocken“, gibt Michael G. aus Hannover zu Protokoll, der nach seiner aufreibenden Außendiensttätigkeit im Pharmavertrieb abends gern mal seine Auszeit auf Glücksspiel-Portalen verbringt. „Mit dem Zocker verhält es sich ähnlich wie mit einem Braten: Je länger er im eigenen Saft schmort, desto besser wird er. Und je länger man spielt, desto mehr ist die Umwelt ausgeblendet. Da will ich nicht, dass mir jemand auf die Finger schaut.“ – Das kann verheerende Folgen haben. Denn der Kick beim Glücksspiel kann zur Sucht werden und zur Überschuldung und nicht zuletzt in die Illegalität führen.
Nichtregulierte Online-Glücksspiele nehmen zu
Deshalb haben sich die 16 Bundesländer Ende Januar 2020 überraschend auf eine Reform des Glücksspielstaatsvertrages geeinigt, dem die Ministerpräsidenten der Länder bereits Ende März grundsätzlich zustimmen sollen. Dem neuen Entwurf zufolge werden auch bisher illegale Onlinecasinos, Onlinepoker oder Online-Automatenspiele künftig offiziell erlaubt sein –allerdings nur unter Auflagen. So soll der Jugend- und Spielerschutz verbessert und die Prävention von Spielsucht ausgebaut werden.
„Glücksspiel-Steuerpiraten“ lieben Inseln
Hintergrund der Gesetzesinitiative ist der zunehmend florierende Schwarz- und Graumarkt der digitalen Glücksspiele. Neben den großen Playern, allen voran Tipico und Bwin, tummeln sich dort auch über 700 kleinere Anbieter – Tendenz steigend. Und die betreiben ihre Produkte zumeist von E-Gambling-Plattformen aus, die auf Malta, Gibraltar oder der Isle of Man lizensiert sind und sich damit der Besteuerung in Deutschland entziehen.
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Mehr Steuereinnahmen durch Legalisierung
Linken-Chef Bernd Riexinger sieht denn auch in dem verbesserten fiskalischen Zugriff auf diesen Milliarden-Markt das eigentliche Motiv für die Legalisierung bisher verbotener Glücksspiele und Sportwetten. Gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte er: „Die Legalisierung der Glücksspiel-Abzocke im Internet ist eine Kapitulation vor den Kriminellen. Es drängt sich der Verdacht auf, dass der Staat sich vor allem auf die Steuereinnahmen (…) freut und deshalb kein Interesse daran hat, seine Bürger vor der Abzocke im Internet zu schützen.“
So soll dem Entwurf zufolge künftig eine zentrale Behörde der Länder die Lizenz für die Veranstaltung von Online-Glücksspielen und –Sportwetten vergeben können. Dabei müssen die Veranstalter für jede Spielerin und jeden Spieler ein transparentes Spielkonto einrichten, auf das monatlich maximal 1.000 Euro eingezahlt werden dürfen. Zudem werden Betreiber verpflichtet, ein automatisiertes System zur Sucht-Früherkennung der Spieler zu installieren und der neuen zentralen staatlichen Glücksspielbehörde dafür alle Daten der Spielteilnehmer auf Abruf zugänglich zu machen. Diese kann dann überdies prüfen, ob die Spielverläufe zulasten von Spielerinnen und Spielern manipuliert oder Regulierungsvorgaben verletzt wurden. Eine spezielle Sperrdatei erfasst am Ende alle suchtgefährdeten Glücksspielerinnen und -spieler mit Selbst- oder Fremdsperre.
Abwanderung in den Schwarzmarkt
Solch Transparenz in einem milliardenschweren Schattenmarkt mit zweifellos kriminellem Potential zwielichtiger Offshore-Unternehmen und selbstzerstörerischen Gefahren für die Spieler mag auf den ersten Blick zu begrüßen sein. Die Aufsichtsbehörde wird aber ihre Rechnung ohne den oben zitierten Michael G. machen müssen. Denn der wird sich beim heimischen Zocken nur ungern in die digitalen Karten blicken lassen und lieber sein Glück bei weniger kontrollierten und kontrollierenden Anbietern suchen.
„Es braucht hier eine nutzerfreundliche, zeitnahe und nicht zuletzt machbare Lösung. Einen ‚gläsernen Spieler‘ darf und wird es aber in Deutschland nicht geben“, moniert Peter Beuth (CDU), Innenminister des Landes Hessen, in der FAZ. Davor warnt auch der Präsident des Deutschen Sportwettenverbandes, Mathias Dahm. Auch er begrüßte in der FAZ den neuen, erst im Juli 2021 in Kraft tretenden Glücksspielstaatsvertrag, weil er endlich alle Glücksspielbereiche einer Regulierung unterwerfe: „Weiterhin stehen im Gesetzentwurf aber zahlreiche kritische Regelungen, die sich nicht an den Kundenbedürfnissen orientieren und wieder zu einer Abwanderung in den Schwarzmarkt führen.“