Der Mainzer Historiker Andreas Rödder fordert die Politik auf, sich nicht von Umfragen treiben zu lassen. Er spricht in diesem Zusammenhang von einem „demoskopiegetriebenen Politikerreflex“. Dafür seien auch die Medien verantwortlich, meint der Wissenschaftler.
„Statt zu fragen, welcher Kandidat welche politische Strategie für das Land anzubieten hat, geht es in der Medienöffentlichkeit um Hochglanzbilder aus Herrenchiemsee, um einzelne Sätze aus Talkshows und um sofort ermittelte Beliebtheitswerte“, kritisiert Rödder den, seiner Ansicht nach, „falschen Fokus“ der Medien. Er fordert bei t-online, „offene Debatten über Konzepte und Strategien“ wieder zulassen.
Gefährliche Entwicklung
Historiker Röder sieht die Gefahr, dass sich der politische Diskurs mehr und mehr an die gesellschaftlichen Ränder jenseits des Parlaments verlagert und nicht mehr auf der „politischen Bühne“ stattfindet. Beispiele sind für ihn die Flüchtlingspolitik und die Corona-Demonstrationen.
Dass der Wissenschaftler mit seinen Befürchtungen nicht ganz Unrecht hat, beweist eine aktuelle Umfrage zum politisch umstrittenen „Lieferkettengesetz“. Danach befürworten 75 Prozent der Bürger das Gesetz, welches Unternehmen zur Einhaltung der Menschenrechte in ihrer Lieferkette verpflichten soll. Bei der Umfrage gaben 91 Prozent der Befragten an, dass es Aufgabe der Politik sei, dafür zu sorgen, dass deutsche Unternehmen auch bei ihren Auslandsgeschäften Menschenrechte und Sozialstandards achten.
Umfrageergebnis zu rechten Zeit
Auftraggeber der Infratest-Umfrage, die von Zeit-Online veröffentlicht wurde, war die „Initiative Lieferkettengesetz“, welche das Gesetzesvorhaben unterstützt. Dabei handelt es sich um ein breites Bündnis aus 80 Organisationen. Vertreten sind unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), das bischöfliches Hilfswerk MISEREOR, Oxfam Deutschland, die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di und der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland.
Der Termin der Umfrage-Veröffentlichung war wohl kein Zufall. Kommt doch am Mittwoch (16.9) das Bundeskabinett zusammen. Dabei könnte der umstrittene Gesetzesentwurf zur Abstimmung kommen. Wegen politischer Differenzen wurde dieser Tagesordnungspunkt aber bereits zweimal verschoben. Bekannt ist, dass Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) ein Gegner der Regelung ist. Da trifft es sich gut, dass nach der Umfrage, auch die Unionsanhänger mehrheitlich für ein Lieferkettengesetz sind.
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