Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) will ein Recht auf Homeoffice mit klaren Regeln verknüpfen. „Homeoffice darf nicht zu einer Entgrenzung der Arbeit führen“, erklärt Heil, der im Herbst diesen Jahres einen entsprechenden Gesetzentwurf vorlegen will.
„Es geht nicht, dass Beschäftigte rund um die Uhr arbeiten oder von ihnen erwartet wird, dass sie immer erreichbar sind. Arbeitsschutz muss es auch im Homeoffice geben“, sagte Heil dem Tagesspiegel. Die konkrete Ausgestaltung seiner Gesetzesinitiative will er mit den Sozialpartnern beraten. „Im Moment erleben wir einen Großversuch, der von der Pandemie erzwungen wurde. Manche empfinden das Arbeiten im Homeoffice als Zumutung, andere staunen, was auf einmal möglich ist“, meint Heil, der keine Homeoffice-Pflicht will. „Aber ich möchte es denen ermöglichen, die es nutzen wollen – sei es für einen Nachmittag, tageweise oder auch für eine längere Zeit“.
BMW-Betriebsrat will Staus reduzieren
BMW-Betriebsratschef Manfred Schoch wird das geplante Homeoffice-Gesetz wohl begrüssen, fordert er doch seit längerem mehr Freiraum bei den Arbeitszeiten. An mindestens zwei Wochentagen sollten die Beschäftigten zu Hause arbeiten dürfen. Dem Spiegel sagte Schoch dazu: „Würden alle Arbeitgeber die Präsenzpflicht auf drei Tage pro Woche herunterfahren, sänke der Berufsverkehr um 40 Prozent. Mit dieser einfachen Maßnahme ließen sich CO2-Emissionen und Staus reduzieren – und die Lebensqualität in den Städten ließe sich erheblich steigern.“
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Zu viele „Kontrollfanatiker“
Doch BMW-Betriebsrat Schoch zweifelt selbst an der Umsetzbarkeit: „In den Führungsetagen sitzen noch zu viele Kontrollfanatiker, die ihre Mitarbeiter am liebsten direkt vor der eigenen Bürotür haben.“ Das BMW-Management hänge zu sehr an einer Präsenzkultur, kritisierte der Betriebsrat und sagt: „Wir sollten die Krise nutzen, um diese neue Form des mobilen Arbeitens zum gesellschaftlichen Standard zu machen.“
McKinsey: Trend zum mobilen Arbeiten
Für die Unternehmensberatung McKinsey ist Homeoffice ein wichtiger Zukunftsbaustein. Die Coronakrise hat den Trend zum mobilen und flexiblen Arbeiten verstärkt“, erklärt deren Expertin, Julia Klier, gegenüber der Welt am Sonntag. Arbeitnehmer wollten zukünftig flexibler arbeiten, meint die erfahrene Beraterin. Fast jeder dritte Büro-Arbeitsplatz in Deutschland könnte auf diese Weise eingespart werden.
„Auch die Zustimmung von Konzernlenkern, die bisher skeptisch gegenüber dem Homeoffice waren, ist in den vergangenen Monaten deutlich gestiegen“, sagt Klier. Die Unternehmensberater prognostizieren für die nächsten fünf bis sieben Jahre, daß dann drei bis fünf Millionen Angestellte mobil arbeiten werden.
BDA bezweifelt Homeoffice-Vorteile
Die deutschen Arbeitgeber kritisieren den Vorstoß des SPD-Arbeitsministers für ein Recht auf Homeoffice. „Politische Ladenhüter aus der Zeit vor dem größten Wirtschaftsrückgang seit vielen Jahrzehnten aufzuwärmen, wirkt etwas aus der Zeit gefallen“, meint Steffen Kampeter, Chef der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). Gegenüber der Funke-Mediengruppe sagte er: „Dabei müssen betriebliche Belange und die Wünsche der Kunden eine zentrale Rolle spielen. Mit Homeoffice allein kann die Wirtschaft nicht am Laufen gehalten werden.“
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Klares Nein vom Mittelstand
Auch der Bundesverband der mittelständischen Wirtschaft will von Heils Homeoffice-Plänen nichts wissen. „Homeoffice sollte nach der Corona-Krise eine Notlösung in besonderen Situationen bleiben“, sagte ihr Präsident, Mario Ohoven der Funke-Mediengruppe. Nach seiner Meinung ist die Produktivität zu Hause geringer als im normalen Büro. „Die tatsächliche Leistungseinbuße gegenüber Arbeit im Betrieb oder Büro dürfte deutlich größer sein als diese Selbsteinschätzung“, so der Mittelstands-Präsident, der auf freiwillige Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern setzt.
Nachdenkliche Stimme aus der Schweiz
Der bekannte Schweizer Architekt Jacques Herzog warnt vor der aktuellen Homeoffice-Euphorie. Dem Handelsblatt sagte Herzog: „“Ich nehme die vielen Videokonferenzen als effizient und intensiv wahr. Sie sind aber auch anstrengender als physische Begegnungen. Es ist ja auch ständig eine Kamera auf dich, auf dein Gesicht gerichtet, dem kannst du kaum ausweichen.“ Nach Auffassung des Architekten aus Basel wird es nie das Gleiche sein wie „die Bar an der Ecke oder das persönliche Gespräch mit einer Bauherrschaft. Es braucht die physische Präsenz des Menschen in einem realen Raum.“ Für Herzog sind Menschen „von diesen sinnlichen Momenten bestimmt.
Architekt Herzog glaubt nicht daran, dass sich an der grundlegenden Trennung von Büro und Privatsphäre und damit am Bild der Städte Einschneidendes ändern wird: „Viele beteiligen sich nun an Spekulationen, auch zur Stadt nach Corona. Sie glauben, es werde ein neues Zeitalter eingeläutet, zurück – oder vorwärts aufs Land“, so Herzog. „Das können sich die meisten Menschen gar nicht leisten, und es wäre dramatisch, die Ressource Landschaft und Natur durch die Ausdehnung der Siedlung weiter zu zerstören. Wir müssen die Stadt aber neu denken.“
Herzogs Prognose: „Wir werden Städte weiter verdichten – aber ebenso zwingend ist deren intensivere Begrünung. Dazu gibt es an vielen Orten auch echte Bemühungen und konkrete Projekte.“
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Quelle: Material dts-Nachrichtenagentur
1 Kommentare
Herzog sollte nicht so laut tönen, da die Architektur ja zu den schlechtesten Arbeitgebern gehört. Natürlich beharrt er auf ausbeuterischer Praktikantenpräsenz. „Dicht und grün“ ist eine naive Lösung, bitte nicht vergessen das Herzog auch eher zu den Bau“Herren“ passt, (also meist dieselben hier gegen Home Office und Flexibilität wetternden Herrschaften). So Schließt sich der Kreis.
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