Mit haushaltsnahen Dienstleistungen werden in Deutschland Schätzungen zufolge über 50 Milliarden Euro im Jahr an der Steuer vorbeigeschmuggelt. Nicht unbeteiligt daran sind Tauschbörsen im Internet. Da ist die Trennlinie zwischen Tauschgeschäft und Schwarzarbeit nicht immer scharf.
Biete Kochen/Putzen/Haushalt – Suche jemanden, der zwei kleine Zimmer tapezieren kann . Biete Installationen und kleinere Elektroarbeiten – Suche medizinische Fußpflege . Biete Nachhilfe in Mathe und Deutsch – Suche jemanden, der professionell mit einer Bohrmaschine umgehen kann … Nachbarschaftshilfe war gestern, Geiz ist heute! Wenn man den aktuell angesagten Festbrennstoff-Herd am Fachhandel vorbei übers Internet endlich zum Niedrigstpreis gefunden und bestellt hat, bleibt die Frage: Wie und von wem soll er installiert werden? Das örtliche Handwerk ist bekanntermaßen zu teuer, und die Wartezeiten sind exorbitant.
Teilen und Tauschen statt Kaufen und Bezahlen
Kein Wunder, dass in den diversen Sharing Communities, in denen ursprünglich Bücher gegen DVDs, Kinderkleidung gegen Handwerkszeug oder Autos gegen Parkplätze getauscht und ausgeliehen wurden, aktuell verstärkt auch besondere Fähigkeiten und damit Dienstleistungen ihren Nutzer wechseln. Nach dem Motto: „Suche Hilfestellung für Malerarbeiten. Biete dafür kleinere Näharbeiten.“ Schon länger und vor allem in größeren Städten etabliert sind auch sogenannte Repair Cafés, in denen (Hobby)-Handwerker gemeinsam und ohne Quittung kaputte Elektrogeräte oder Fahrräder reparieren und dazu gemeinsam auch Werkzeug und Material bereitstellen und teilen.
Der Haken mit der Schwarzarbeit
Noch sind diese nachhaltig ausgerichteten Gemeinschaften und Plattformen, in denen solcherart Dienstleistungen und Fachkompetenzen getauscht und geteilt werden, eher überschaubar und volkswirtschaftlich – auch für das handwerkliche Gewerbe – keine ernsthafte Konkurrenz. Aber wo hört das Tauschgeschäft auf und wo beginnt die Schwarzarbeit? Andererseits: Was ist denn dabei, wenn ich mich bei jemandem, der mein Auto gewaschen hat, damit revanchiere, dass ich seine Steckdose repariere?
Da steckt der Teufel im Detail. Denn ein Deal wie Elektroarbeit gegen Carwash ist nicht nur steuerrechtlich brisant; es gibt auch Leistungen, die man legal anderen Menschen nur anbieten darf, wenn man die dafür gesetzlich vorgeschriebene Qualifikation nachweisen kann – das gilt für Reitunterricht und Rechtsberatung ebenso wie für den lebensgefährlichen Umgang mit Elektrizität. Deshalb warnen Anwälte bereits vor juristischen Fallstricken solcher Angebote.
Dienstleistungen im rechtsfreien Raum?
Auch wenn sich die Sharing Communities nur als nachhaltige Alternative zu den Exzessen der Konsum- und Wegwerfgesellschaft verstehen und im Ansatz durchaus begrüßenswert sind, bergen sie aktuell dennoch die Gefahr, zu heimlichen Vermittlern von Schwarzarbeit zu werden – nach dem Motto: Suche Tauschbörse – Biete Schwarzarbeit. Denn die auf ihren Plattformen angebotenen Dienstleistungen entziehen sich nun mal der Regulierung und Besteuerung durch den Staat und forcieren (unbeabsichtigt) die Schattenwirtschaft.
Wie groß das Problem der Schattenwirtschaft hierzulande ist, belegt eine aktuelle Prognose des Instituts für angewandte Wirtschaftsforschung in Tübingen. Danach wird der Umfang der Schattenwirtschaft in Deutschland 2018 bei 323 Milliarden Euro (!) liegen und damit 9,5 Prozent der gesamten Wirtschaftsleistung ausmachen.
Wartezeiten für Handwerker – Schwarzarbeiter kommen sofort
An dieser Entwicklung dürfte das derzeit landesweit boomende Baugewerbe mit seinem erheblichen Anteil an Schwarzarbeitern einen eindeutig größeren Anteil haben als die Dienstleistungsangebote auf den einschlägigen Sharing-Plattformen, die wie z. B. tauschboersearbeit.de ausdrücklich nur Dienstleistungen ohne Bezahlung „tauschen“. Aber die Nutzer gewöhnen sich letztendlich an den Deal – und daran, dass es Dienstleistungen auch zum Nulltarif und ohne Quittung gibt, obendrein ohne langes Warten! Es lohnt sich zudem nicht nur für die öffentliche Hand, darüber nachzudenken, wie es generell um die digitale Fahndung nach Schwarzarbeitern in den sozialen Netzwerken bestellt ist?
Personalmangel, Schattenwirtschaft und der Zoll
Während das Handwerk unter Personalmangel leidet, stattdessen Scheinselbständigkeiten boomen und viele schwarze Schafe mit illegal Beschäftigten bzw. Lohn- und Sozialdumping dabei sind, ehrliche Wettbewerber vom Markt zu verdrängen, fordert die Deutsche Zoll- und Finanzgewerkschaft (BDZ) eine deutliche Erweiterung der Befugnisse und Kompetenzen der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS). Und vor allem endlich die längst überfällige Besetzung der bereits vorhandenen 8.300 Planstellen. Von denen sind nämlich noch nicht einmal 7.000 besetzt.
Vor dem Hintergrund dieses Missverhältnisses zwischen Soll und Haben wundert sich nicht nur die Zollgewerkschaft über die vollmundige Ankündigung von Finanzminister Olaf Scholz (SPD), bis 2022 zusätzlich noch rund 350 neue Planstellen pro Jahr schaffen zu wollen, um damit die im Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz gesteckten Ziele umzusetzen. Dazu wären nach Einschätzung der Zollgewerkschaft weitere 6.500 neue Stellen für die Finanzkontrolle notwendig.
Geiz ist geil, aber umsonst ist nichts
Die Steuerzahler würden es danken, denn sie bezahlen am Ende immer die Zeche. Wer Schwarz- und unterbezahlte Leiharbeit auf dem Bau oder in Schlachthöfen verurteilt, sollte auch zwischen Geiz und Nachhaltigkeit unterscheiden. Mit dem unkontrollierten Tauschen und Leihen von Dienstleitungen und Dienstleistern allein lässt sich die Welt nicht nachhaltig verbessern. Geiz #mag für den einzelnen geil sein, ist aber gesamtgesellschaftlich nicht unbedingt sozialverträglich.