„Stille Post“ ist sicherlich vielen ein Begriff, „stille SMS“ hingegen nur wenigen. Dabei stellen diese einen erheblichen Eingriff dar und werden nicht nur aus verfassungsrechtlicher, sondern auch aus strafprozessualer Sicht, kontrovers diskutiert.
Zunächst aber erst einmal zu der Frage: Was sind überhaupt stille SMS?
Stille SMS sind Kurzmitteilungen, die an einen bestimmten Empfänger gesendet werden, die jedoch von diesem nicht wahrgenommen werden können, da diese nicht im Display des Mobilfunktelefons als neue Nachricht angezeigt werden, dennoch das empfangene Mobilfunktelefon den Empfang registriert und dies gegenüber dem Mobilfunknetz bestätigt. Damit wird ein Kommunikationsvorgang initiiert, was wiederum zu einem Datenaustausch mit dem Netzbetreiber führt, sodass an diesen unweigerlich auch Informationen darüber weitergegeben werden, in welcher Funkzelle sich das Mobilfunktelefon sich im Zeitpunkt dieses Kommunikationsvorgangs befand.
Ermittler verletzen Privatsphäre
Im Rahmen entsprechender Personenermittlungen werden dann die Mobilfunkbetreiber angewiesen, diese übermittelten Daten für die Standortbestimmung auszulesen und an die ermittelnden Behörden, den Verfassungsschutz oder das Bundeskriminalamt weiterzugeben, sodass es diesen möglich ist, den Tatverdächtigen zu orten oder entsprechende Bewegungsprofile von diesem zu erstellen. Es ist offensichtlich und bedarf keiner ausschweifenden juristischen Argumentation, dass derartige Vorgehensweisen einen erheblichen Eingriff in die grundrechtlich geschützte Privatsphäre darstellen.
Zweifelhafte Rechtsgrundlage
Die entscheidende Frage, die sich angesichts dessen stellt, ist, welche rechtliche Ermächtigungsgrundlage einen derartigen Eingriff zu legitimeren vermag.
Zunächst einmal gibt es bis jetzt keine einheitliche rechtliche Grundlage, die bei Bestehen hinreichender Anhaltspunkte für die Annahme einer erheblichen Straftat, das Versenden von stillen SMS erlaubt. Als Ermächtigungsgrundlage in Betracht kommen dabei nur die allgemeinen Vorschriften der Telekommunikationsüberwachung nach §100 a StPO und der Erhebung von Verkehrsdaten gemäß §100 g StPO.
Strafprozessordnung zieht klare Grenzen
Nach §100 a StPO ist die inhaltliche Überwachung und Aufzeichnung der Telekommunikation möglich, wenn ein entsprechender Verdacht dafür besteht, dass jemand eine schwere Straftat, wie Mord und Totschlag, Bandendiebstahl, Raub oder Hehlerei begangen hat oder zu begehen versucht und anderweitige Ermittlungen zur Erforschung des Sachverhalts oder Ermittlung des Aufenthaltsortes des Beschuldigten nicht möglich oder erfolgsversprechend sind. Die Durchführung dieser Maßnahmen darf aber nur bei entsprechender Anordnung durch einen Richter geschehen, es sei denn, dass Gefahr im Verzug besteht. §100a StPO als Ermächtigungsgrundlage für stille SMS heranzuziehen, ist aber insofern problematisch, als dass die durch die Versendung der stillen SMS erfolgende Handlung nicht mit der der Telekommunikationsüberwachung identisch ist und übereinstimmt, auch wenn alle übrigen Voraussetzungen vorliegen würden. Denn bei den stillen SMS werden die ermittelnden Behörden selbst aktiv und erzeugen selber diese, wenn auch nicht wahrgenommene, Kommunikation. Bei der Telekommunikationsüberwachung hingegen wird die Kommunikation nur passiv überwacht.
Künstlich erzeugte Standortdaten unzulässig
Auch die Heranziehung von §100 g StPO als Ermächtigungsgrundlage ist ebenso problematisch. Danach dürfen sogenannte Verkehrsdaten, wozu auch Standortdaten (gemäß §96 Abs.1 Nr.1 Telekommunikationsgesetz) gehören, erhoben werden, wenn, wie bei der Telekommunikationsüberwachung, ein entsprechender Verdacht dafür besteht, dass jemand eine schwere Straftat begangen hat beziehungsweise versucht und die Erhebung zur Erforschung des Sachverhalts notwendig ist und die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Damit besteht aber nur die Ermächtigung zur Abfrage der Standortdaten. Durch die stillen SMS werden diese aber gerade künstlich erzeugt. Die künstliche Erzeugung ist aber gerade nicht von §100 g StPO erfasst. Eine so weite Auslegung des Ermächtigungstatbestandes ist dabei angesichts der Erheblichkeit des Grundrechtseingriffs nicht möglich.
Juristisches Kunstturnen mit § 100 g StPO
Vielmehr bedarf es zur Legitimierung solcher Vorgehensweisen einer, wenn auch juristisch sehr holprigen, zweistufigen Ermächtigungsgrundlage. Das Erzeugen der künstlichen Standortdaten lässt sich mit viel gutem juristischem Willen unter den generalklauselartigen §161 bzw. §163 StPO fassen, die eine allgemeine Ermittlungsbefugnis der Staatsanwaltschaft beziehungsweise der Polizei bietet. Wird das künstliche Erzeugen der Standortdaten darunter subsumiert und letztendlich legitimiert, kann der Abruf der Standortdaten wieder über §100 g StPO, das Erheben von Verkehrsdaten, legitimiert werden.
Vor Gericht kaum verwendbar
Das Finden einer Legitimation für die stillen SMS und die letztendlich erfolgende Kombination von verschiedenen Ermächtigungsgrundlagen, ist im Hinblick auf den Vorbehalt des Gesetzes doch recht fragwürdig. Im Zweifel führt ein solcher Verstoß gegen den Vorbehalt des Gesetzes und auch gegen die §§100 a, 100 g StPO dazu, dass die so gewonnenen Erkenntnisse und Beweise im Strafverfahren nicht verwertet werden dürfen und bei Verwendung einen Revisionsgrund begründen.