Der erzielte Minimalkompromiß beim Corona-Gipfel im Kanzleramt zwischen dem Bund und den Länderchefs am letzten Mittwoch (14.10.) stellt niemanden so richtig zufrieden. Zuwenig und zu spät meinen die Experten und auch eine aktuelle Meinungsumfrage zeigt, die Bürger sind beunruhigt.
Obwohl führende Staatsrechtler im Vorfeld auf die zweifelhafte Rechtmäßigkeit des Beherbergungsverbotes hingewiesen hatten, konnte sich der Corona-Krisenrat nicht zu einer Aufhebung dieser wenig effektiven Maßnahme durchringen. Die jetzt in rascher Folge kommenden Eilentscheidungen der Verwaltungsgerichte der Länder werfen ein Schlaglicht auf das Rechtsverständnis einiger Gipfelteilnehmer.
Umfrage: Mehrheit unzufrieden
Eine aktuelle Forsa-Umfrage im Auftrag von RTL zeigt, dass es in der Bevölkerung rumort. Immerhin 74 Prozent der Befragten haben nicht den Eindruck dass Bundesregierung und Bundesländer bei der Eindämmung der Corona-Pandemie gut zusammenarbeiten. Besonders hoch ist der Anteil der Unzufriedenen in der Altersgruppe der 45- bis 59-Jährigen. Viele fürchten Einschränkungen wie im Frühjahr.
Für Lauterbach zu spät
Damit liegt das Umfrageergebnis auf der Linie der Expertenmeinungen. Der üblicherweise gut informierte SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach kommentierte die Entscheidungen vom Mittwochabend gegenüber T-Online so: „Die Schritte, die beschlossen wurden, sind richtig. Aber sie sind möglicherweise zwei Wochen zu spät“.
IfW-Chef Felbermayr warnt
Auch die Ökonomen sind mit den getroffenen Entschlüssen unzufrieden. So sagte der Präsident des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW), Gabriel Felbermayr, dem Handelsblatt: Eine Wiederholung des „wirtschaftlich extrem teuren“ flächendeckenden Lockdowns vom Frühjahr müsse „auf jeden Fall verhindert werden“. Gleichzeitig ermahnt er die Politik, bei ihren Maßnahmen „auf pädagogisch motivierte Dramatisierungen und schlecht begründete Maßnahmen wie das Beherbergungsverbot“ zu verzichten.
Bartsch: Bundestag soll entscheiden
„Es wird allerhöchste Zeit für demokratische Legitimierung der Corona-Politik“, sagte der Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag, Dietmar Bartsch, dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Er fordert von der Ministerpräsidentenkonferenz, das Parlament mehr in die Entscheidungsprozesse einzubinden. Über die Grundlinien der Corona-Maßnahmen müsse im Bundestag diskutiert und entschieden werden, nicht nur in den Staatskanzleien, meint Bartsch und kritisiert: „Es wird zu viel verkündet und kaum noch etwas begründet.“
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Vor der jetzt zunehmenden Entfremdung zwischen Regierenden und Regierten hatte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) bereits im Mai gewarnt. Der erfahrene Jurist hatte schon bei der Ausgestaltung der erforderlichen Pandemie-Gesetzgebung im Frühjahr auf die Gefahr von Grundrechtseinschränkungen hingewiesen.
Kubicki sagt Problem voraus
„Ich rate dringend dazu, dass wir uns hier Zeit nehmen müssen und nicht im Schnellschuss wieder eine Reihe von Maßnahmen beschließen, die anschließend von Gerichten möglicherweise wieder infrage gestellt werden“, warnte Kubicki noch im Mai. Genau das passiert gerade mit dem Beherbergungsverbot, der Sperrstunde und weiteren Einschränkungen, die gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit im Grundgesetz verstoßen.
Parlamentarische Autorität erforderlich
Kubicki forderte bei der Neugestaltung des Infektionsschutzgesetzes im Mai: „Eine entsprechende Regelung muss die Landes- und Bundesregierungen verpflichten, die Gesundheitsausschüsse der jeweiligen Gebietskörperschaft mindestens alle vier Wochen über die Wirksamkeit und Angemessenheit der Maßnahmen zu unterrichten. Dies ist auch wichtig, um festzustellen, ob eine teilweise oder vollständige Rücknahme der Einschränkungen geboten ist.“ Nur so könne die dauerhafte Akzeptanz der notwendigen Maßnahmen in der Bevölkerung gesichert werden.
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Quelle: Material dts