Deutsche Fahrradhändler sind die Gewinner der Coronakrise. Nach einer aktuellen Ifo-Umfrage erreicht ihre Zufriedenheitsrate fast 100 Prozent. „“Die Fahrradhändler erleben einen regelrechten Boom““, sagt der Leiter des Münchener Ifo-Instituts, Klaus Wohlrabe.
Über die Kehrseite dieses Booms berichtet nun das Statistische Bundesamt. Danach war im vergangenen Jahr (2019) jeder siebte Verkehrstote mit dem Fahrrad unterwegs. Viele der 445 Unfallopfer waren älter als 65 Jahre. Insgesamt stieg die Zahl der getöteten Radfahrer gegenüber 2010 um 16,8 Prozent. Das ist auffällig, da im gleichen Zeitraum die Zahl der gesamten Verkehrstoten im Jahr 2019 um 16,5 Prozent geringer war als 2010.
Radfahren – riskanter Umweltschutz
Der Umwelt oder Gesundheit zuliebe, immer mehr Menschen sind mit dem Rad unterwegs. Fehlende, oder zu schmale Radwege sind die Ursache vieler Unfälle. Ein „Klassiker“ ist die sich plötzlich öffnende Autotür, wenn der Radfahrer am Straßenrand parkende Autos passiert.
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Von einer „Türöffnungsfalle“ spricht der Regensburger Verkehrsrechtsexperte Adolf Rebeler. In einem lesenswerten Aufsatz (SVR Ausgabe 2/2020) schreibt er: „es sind eigentlich leicht zu verhindernde Unfälle mit oft schweren Folgen…“. Rechtlich ist für ihn der Schuldige klar definiert. „Der Türöffner verstößt auch gegen die in § 14 StVO normierte besondere Sorgfaltspflicht“, schreibt er in seinem fundierten Beitrag.
Gesetzgeber läßt Fragen offen
Auch die Risiken beim Ein- und Ausladen gehen im juristischen Zweifelsfall zu Lasten des stehenden Autofahrers, da der fließende Verkehr (auch Fahrradverkehr!) Vorrang hat. Dieser muß aber den „erforderlichen Sicherheitsabstand“ einhalten. Wie der im Einzelfall auszusehen hat, entscheiden die Gerichte, da der Gesetzgeber sich dabei nicht festgelegt hat. Uneinig sind sich die Gerichte auch, inwieweit und ob ein nicht getragener Fahradhelm zu einer Mitschuld des verunglückten Radlers führt.
Ein weiteres Risiko für Radfahrende in Deutschland sind abbiegende Fahrzeuge. Hier kommt es zu vielen tödlichen Unfällen. Daher sollen LKW‘s zukünftig mit elektronischen Warnsystemen ausgestattet werden.
Das deutsche Elend
Ein Radfahrer, der aus den Niederlanden kommend, die deutschen Grenze erreichte, kommentierte dies so: „Jetzt beginnt das deutsche Elend!“ Das ist ungerecht. Natürlich haben unsere niederländischen Nachbarn die besseren Radwege, auch zweispurig und sogar mit Verkehrsregelung. Natürlich haben sie eigene (oft kostenlose) Parkhäuser für ihre Zweiräder. Natürlich wird in den Niederlanden mehr Rücksicht auf Radfahrer genommen, denen häufig die Vorfahrt gegenüber dem motorisierten Verkehr eingeräumt wird.
Aber, sie haben keinen „Fahrradminister“ und fahren auf ihren Radwegen ohne Schutzhelm!
Geniales rotes Band
Natürlich kann man auch von den Niederländern lernen. So geschehen in Frankfurt. Dort werden seit Anfang des Jahres breite rote Fahrradwege, wie in den Niederlanden, angelegt. Inzwischen sind es 14 Kilometer, markiert mit einer roten Signalfarbe. Ein weiterer Ausbau ist geplant. Frankfurt soll verkehrstechnisch zu einer fahrradfreundlichen Stadt umgebaut werden. Dabei erhalten sieben innerstädtische Hauptstrassen eine separate Verkehrsführung für Fahrräder, die baulich vom übrigen Straßenverkehr getrennt ist.
Das von einigen Kritikern prognostizierte Verkehrschaos hält sich bisher in Grenzen. Auf Twitter kommentiert der FAZ-Journalist Philipp Krohn den mutigen Schritt der Stadt so: „Diese breiten roten Fahrradwege erhöhen tatsächlich das Sicherheitsgefühl. Plötzlich halten Rechtsabbieger an und schauen auf Radfahrer, weil das so ein sichtbares Hindernis ist“ und sein Kollege Bernd Günter ergänzt in einem FAZ-Beitrag: „Das ist ein geniales rotes Band“.
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Quelle: rb, dts, twitter