„Die seit Jahren steigende Verfahrensdauer und die wachsende Zahl von U-Haft-Entlassungen wegen unverhältnismäßig langer Verfahren sind Symptome einer hohen Arbeitsbelastung der Strafjustiz“, sagt Sven Rebehn, Bundesgeschäftsführer des Deutschen Richterbundes (DRB).
Immer häufiger müßten Tatverdächtige aus der Untersuchungshaft entlassen werden erklärte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland und belegte das mit neuen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis). Danach dauern Verfahren vor deutschen Strafgerichten immer länger. Ursache sei der seit Jahren zunehmende Personalmangel in der Justiz, weiss der DRB-Bundesgeschäftsführer
Strafverfahren: 2 Monate mehr
Die durchschnittliche Dauer von erstinstanzlichen Strafverfahren vor Landgerichten habe einen neuen Höchstwert erreicht, sagt Rebehn. Sie lag im vergangenen Jahr bei 8,2 Monaten. Damit hat sich die Dauer von Strafprozessen vor den Landgerichten im Zehnjahresvergleich um fast zwei Monate verlängert.
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Auch bei den Amtsgerichten lag die Verfahrensdauer 2021 durchschnittlich bei 5,8 Monaten und damit fast zwei Monate höher als zehn Jahre zuvor. Ein Grund dafür ist der steigende Aufwand, „weil internationale Bezüge zunehmen, die Komplexität des Rechts stetig steigt und die auszuwertenden Datenmengen in der digitalen Welt sprunghaft wachsen“.
Pluspunkt für Tatverdächtige
Eine Konsequenz daraus sei, dass immer häufiger Tatverdächtige wegen zu langer Verfahrensdauer aus der Untersuchungshaft entlassen werden müssen, so Rebehn. Das Beschleunigungsgebot in Haftsachen verlange, dass Strafverfahren schnellstmöglich durchgeführt werden, wenn Tatverdächtige in Untersuchungshaft sind. Das sei in den vergangenen fünf Jahren vermehrt nicht der Fall gewesen. Die Konsequenz: Fast 300 Tatverdächtige mußten freigelassen werden. Allein 2021 seien es mindestens 66 Tatverdächtige gewesen, bei denen das Verfahren zu lange dauerte.
Politik gefordert
Die Richtervereinigung fordert von der Politik eine rasche Reaktion auf die Misere. „Ein Dreivierteljahr nach ihrem Amtsantritt muss die Bundesregierung endlich konkrete Vorschläge auf den Tisch legen, wie sie die Neuauflage des Bund-Länder-Pakts zur Stärkung der Justiz ausgestalten will.“ Die deutschen Richter setzten dabei auf Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP). Es brauche „jetzt das groß angelegte Investitionspaket von Bund und Ländern“, das die Ampel im Koalitionsvertrag versprochen habe.
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Quelle: dts, bo