Das Infektionsschutzgesetz räumt den Regierenden eine fast diktatorische Macht im Falle einer Pandemie ein. Diese Macht möchte Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) gerne von den Bundesländern auf den Bund transferieren. Doch die Länder haben Bedenken und auch Datenschützer haben Einwände.
Der Entwurf für das geänderte Infektionsschutzgesetz sollte bereits am letzten Montag im Bundeskabinett beschlossen und dann im Eilverfahren von Bundestag und Bundesrat beschlossen werden. Doch daraus wurde nichts. Grund war das vorgesehene „Handytracking“, mit dem mögliche Kontaktpersonen des Infizierten aufgespürt werden sollten. Aber auch die parlamentarische Kontrolle kommt im dem Gesetzesentwurf, nach Meinung der Opposition, zu kurz. Sie fordert Nachbesserungen.
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Einen „Blankoscheck“ will Jens Zimmermann, der digitalpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion nicht ausstellen. Im Handelsblatt sagte er: „Ich erwarte hohe Hürden, um Missbrauch von vornherein auszuschließen, eine enge Einbindung des Bundesdatenschutzbeauftragten und eine Begrenzung von solchen gesetzlichen Regelungen auf höchstens zwölf Monate.“
Datenschutz trotz Handlungsdruck
Auch die Datenschutzbehörden üben Kritik. „Der derzeitige Handlungsdruck darf eine sorgfältige rationale Abwägung und Aufarbeitung der komplexen Fragestellungen nicht verhindern“, sagt Hamburgs Datenschützer Johannes Caspar. Er fordert „klare Vorgaben“, die sich am Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ausrichten und die Verwendung der Daten zu anderen Zwecken ausschließen“. Seine schleswig-holsteinische Amtskollegin Marit Hansen empfiehlt, eine richterliche Kontrolle und nachträgliche Datenschutzüberprüfungen im geänderten Infektionsschutzgesetz vorzusehen.
Kubicki warnt vor Schnellverfahren
Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) hat bei dem Gesetzesvorhaben verfassungsrechtliche Bedenken. Er sagte gegenüber der Funke-Mediengruppe: „Ich warne dringend davor, einen solch schwerwiegenden Eingriff in die Grundrechte wie die Handy-Ortung im Schnellverfahren durchs Gesetzgebungsverfahren zu peitschen“. Der erfahrene Jurist weist darauf hin, daß ohne einen entsprechenden richterlichen Beschluss eine solche Maßnahme sicher verfassungswidrig sei. Kubicki bezeichnete in dem Gespräch das geplante Tracking als „unverhältnismäßig“.
Liberale fordern Nachbesserung
FDP-Chef Christian Lindner fordert Nachbesserungen und bemängelt, dass der Bund sich „erhebliche Kompetenzen“ für den Fall einer epidemischen Notlage sichern“ möchte. Lindner auf Twitter: „Dabei sind Beteiligungs- und Kontrollrechte des Parlaments nicht hinreichend gewürdigt.“ Nach seiner Auffassung könne nur gemeinsam mit dem Parlament eine Notlage ausgerufen werden. Umgekehrt sei es nötig, dass das Parlament auch auf eigene Initiative diese Notlage beenden könne. Lindner: „Freiheiten können nicht ohne den Bundestag als Volksvertretung eingeschränkt werden“.
Mitspracherecht des Bundestages
Man sei bereit die Regierung so gut es gehe zu unterstützen, damit rasch gehandelt werden könne, versichert die Fraktionschefin der Grünen, Katrin Göring-Eckardt. Dem Nachrichtenportal T-Online sagte sie:“Wenn so weitgehend in die Freiheiten von Bürgerinnen und Bürgern eingegriffen wird wie im Infektionsschutzgesetz, wenn so viele Befugnisse zentral auf die Bundesregierung übergehen, dann muss das befristet geschehen“, außerdem muss der Bundestag das Recht bekommen, die ausgerufene Notstandslage jederzeit wieder aufzuheben.“
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Hintergrund
Nach dem Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) soll der Bund künftig mehr Eingriffsmöglichkeiten im ganzen Land erhalten. Die Verschärfung des Infektionsschutzgesetzes ist Teil eines Maßnahmenpakets der Bundesregierung als Reaktion auf die Coronavirus-Pandemie.
Die Neuregelung sieht vor, dass die zuständigen Gesundheitsbehörden bei einer „epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ weitreichende Befugnisse erhalten. Gleichzeitig sollen Bundesländer und Kommunen auf ihre Zuständigkeit verzichten. Damit will die Bundesregierung einen Flickenteppich an Regelungen vermeiden.
Geplant ist, daß die Bundesregierung künftig grenzüberschreitende Personentransporte untersagen, oder die Versorgung mit Arzneien und Schutzausrüstung zentral steuern kann. Neben der Zwangsrekrutierung von medizinischem Personal sieht die Novelle auch die Möglichkeit von Ausgangssperren vor.
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Quelle: rb, dts