Täglich gibt es neue „Wasserstandsmeldungen“ über den Füllstand der in Deutschland befindlichen Gasspeicher. Doch die von der Politik damit suggerierte Versorgungssicherheit könnte sich als trügerisch erweisen.
Die Gasspeicher in Deutschland füllen sich immer weiter. Am 9. Oktober waren, laut Verband der europäischen Gas- und Infrastrukturbetreiber, die Reservoirs zu 94,44 Prozent gefüllt. Der größte deutsche Gasspeicher in Rehden hat inzwischen einen Füllstand von 82,23 Prozent erreicht. Die Bundesregierung strebt für Anfang November einen durchschnittlichen Füllstand von 95 Prozent an. Das soll dann ausreichen, um durch den Winter zu kommen.
Optimistischer Habeck
Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) ist optimistisch. Er erwartet das Erreichen des Gasspeicherziels von 95 Prozent bereits Ende Oktober. Gegenüber der Neuen Osnabrücker Zeitung (NOZ) erläuterte er seine Maßnahmen zu Sicherung der Energieversorgung: Es würde im Rekordtempo eine Flüssiggas-Infrastruktur aus dem Boden gestampft. Gaslieferungen seien gesichert. Es komme mehr Gas aus den Niederlanden. Die Kapazitäten aus Kohle und Erneuerbaren würden erhöht. Trotzdem müsse der Verbrauch um mindestens 20 Prozent gesenkt werden. „Für Entwarnung ist es da viel zu früh“, warnt Habeck.
Deutsches Gas ?
Eine Bild-Recherche bringt Überraschendes an den Tag. Danach weiss die Bundesregierung nicht, welcher Anteil des eingespeicherten Gases im Winter für deutsche Unternehmen zur Verfügung steht!
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In einem Schreiben des Wirtschaftsministeriums an Jens Spahn, den stellvertretenden Unions-Fraktionsvorsitzenden, heißt es: „Kenntnisse darüber, wohin das einzelne eingelagerte Gas fließt, liegen der Bundesregierung nicht vor.“ Und die Bundesnetzagentur bestätigt gegenüber der Zeitung: „Das gespeicherte Gas ist in weiten Teilen Eigentum von Gashändlern und Gaslieferanten, die häufig europaweit agieren.“
Keine Garantie trotz Subvention
Selbst das Gas, das der Marktgebietskoordinator „Trading Hub Europe“ (THE) mit Staatshilfe einkauft und unter Treuhandverwaltung der Bundesnetzagentur im ehemaligen Gazprom-Speicher in Rehden eingelagert hat, ist nicht für Deutschland reserviert! Das Gas kann, laut Bundesnetzagentur, von allen nationalen und internationalen Unternehmen, die im deutschen Gasmarkt registriert sind, gekauft werden. Entscheidend sei, wer den Höchstpreis biete.
Unionspolitiker für Verstaatlichung
„Um die Versorgung zu garantieren, müssten die Gasspeicher verstaatlicht werden“, sagt Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU). Er fordert eine unmittelbare Kontrolle der Gasspeicher durch den Staat. Die Bundesregierung könne bis heute nicht erklären, wer genau Zugriff auf das gespeicherte Gas hat. „Das ist nicht vertrauenserweckend“, sagte Söder der Welt. Auch der stellvertretende CDU-Vorsitzende Jens Spahn (CDU) kritisiert bei Bild am Sonntag: „Das sehr teuer eingekaufte Gas in unseren Speichern muss im Winter bei den deutschen Verbrauchern ankommen. Dazu muss die Ampel endlich einen Ausspeicherplan vorlegen. Sonst wiegen volle Speicher in falscher Sicherheit.“
Bartsch: Irreführung der Bürger
Dietmar Bartsch (Die Linke), ist auch für eine Verstaatlichung der Gasspeicher. „Wenn in Deutschland befindliche Gasspeicher nicht dafür bestimmt sind, hierzulande Wohnzimmer zu wärmen und Unternehmen mit Energie zu versorgen, dann ist der tägliche Verweis auf Füllstände eine Irreführung der Bürger durch den Wirtschaftsminister“, so Bartsch.
Die Linke hat zur Verwendung des gelagerten Gases auch eine parlamentarische Anfrage gestellt, über die die Welt berichtete. Danach geht Energiestaatssekretär Patrick Graichen davon aus, dass die Gasspeicher „vornehmlich für die Versorgung in Deutschland eingesetzt werden“, aber auch für Lieferungen in den EU-Binnenmarkt und darüber hinaus genutzt werden.
Netzagentur und FDP besonnen
Netzagentur-Chef Klaus Müller verweist auf die europäische Solidarität. Er sagt: „Wir sind unseren Nachbarn gegenüber zu Solidarität verpflichtet, und wir profitieren in Deutschland im Moment jeden Tag von deren Solidarität. Ohne den europäischen Gasmarkt und die Unterstützung unserer Nachbarn könnten wir eine Gasmangellage in Deutschland nicht vermeiden.“
Auch Michael Kruse, der in der FDP-Fraktion für Energiefragen zuständige Experte, sieht wenig Sinn in den Forderungen von CSU-Chef Söder und dem Co-Fraktionsvorsitzenden der Linken, Dietmar Bartsch. Kruse verweist darauf, das die Bundesrepublik besonders vom offenen Gasmarkt profitiert. „Es fließt momentan deutlich mehr Gas nach Deutschland, als in andere Länder abfließt“, erklärt der FDP-Experte und verweist darauf, das Deutschland, insbesondere im Winter, stark von Stromimporten abhängt.
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Quelle: dts-Material